Fall Kampusch: Offene Fragen und neue Verschwörungstheorien

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Der geheime Parlamentsausschuss zum Entführungsfall „Natascha Kampusch“ könnte weitere Erhebungen an einen „Weisenrat“ übertragen. Auch das FBI ist noch im Rennen.

Manch spannende Kriminalgeschichte endet so, dass man am Schluss gar nicht mehr fragt, ob – sondern nur noch, wann es eine Fortsetzung geben wird. Nun war zwar die Entführung von Natascha Kampusch traurige Realität, die Schlusssequenz des umfassenden Abschlussberichts der Staatsanwaltschaft Innsbruck liest sich dennoch wie eine nie enden wollende Story.

Es sei nicht „außer Acht zu lassen, dass es in diesem Verfahren, wie auch in manch anderen Verfahren, die von den Strafverfolgungsbehörden zu bearbeiten sind, offene Fragen und Widersprüche gibt“, heißt es in dem 600-Seiten-Papier, das von der Chefin der Staatsanwaltschaft Innsbruck, Brigitte Loderbauer, unterzeichnet ist. „Der Selbstmord des Wolfgang P. (Priklopil, Anm. – er gilt offiziell als einziger Täter) bewirkte, dass manche Fragen offenbleiben und bleiben müssen.“ Nachsatz: „Zielführende Ermittlungsansätze fehlen.“ Interessant, denn damit ist bestätigt, dass man sich sehr wohl um neue „Ermittlungsansätze“ gekümmert hat. Obwohl Innsbruck anfänglich betont hatte, dass es eigentlich nicht um die restlose Klärung des Entführungsfalles, sondern um die Prüfung staatsanwaltlichen Tuns gehe. Zugegeben: Das eine fließt in das andere. Jedenfalls bescheinigt der Bericht den Anklägern, fachgerecht gehandelt zu haben, keine Spur von Amtsmissbrauch. Aber (siehe oben): „Offene Fragen bleiben.“

Das sieht offenkundig auch jener Parlaments-Unterausschuss so, der derzeit die Tätigkeit der Kampusch-Ermittler – geheim – prüft. Erst am Montag sagten die letzten beiden Zeugen aus: Jener Gerichtsmediziner, der die Obduktion von Priklopil vornahm. Und ein hoher Polizeibeamter. Apropos Obduktion: Wer je die Original-Obduktionsfotos gesehen hat, versteht, dass das Gerücht, es habe sich um einen nahezu unversehrten Leichnam gehandelt, ein Überfahren durch einen Zug sei daher ausgeschlossen, eben nur ein Gerücht ist.

Mitte April finden nun noch zwei Sitzungen des geheimen Ausschusses statt, bis Ende des Monats soll ein – zum Teil ebenfalls geheimer – Bericht verfasst werden. Insofern ist auch von zwei Berichten die Rede, von einem „für die Öffentlichkeit“ und einem für – ja, für wen? „Für das Justizministerium“, meinen Parlamentarier. Dieses habe auch den Ausschuss initiiert. Der Fraktionsführer der Grünen im Ausschuss, Peter Pilz, sieht das anders: „Ich will einen einzigen Bericht.“ Und: „Wir arbeiten auch nicht für das Justizministerium, sondern für den Nationalrat.“ Abgesehen davon, dass das Verfassen eines „Geheimberichts“ neue Verschwörungstheorien fördern würde, stellt sich natürlich die Frage, welches weitere Vorgehen der Ausschuss empfiehlt. Festzustehen scheint: Es wird wieder Kritik an den Ermittlungsbehörden geben. Eine Einschaltung des US-amerikanischen FBI und des deutschen Bundeskriminalamtes wurde ja bereits offiziell in Aussicht gestellt.

Und dann wäre da noch eine Möglichkeit, die derzeit heiß debattiert wird: Man könne doch, so heißt es hinter den Kulissen, honorige Leute, etwa Juristen, die vielleicht schon in Pension sind, „die nichts mehr werden wollen und daher unabhängig sind“, mit einer neuen Prüfung des Falles beauftragen. Dann hätte auch der Fall „Kampusch“ endlich seinen eigenen „Weisenrat“.

E-Mails an: manfred.seeh@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2012)

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