Aufarbeiten, Schaden begrenzen! Irrte die veröffentlichte Meinung?

Den Österreichern wird nach der Heeresbefragung ein Generationenkonflikt aufgezwungen, der völlig unnötig ist.

Nun geht es ans Aufarbeiten. Man kann auch sagen: an die Schadensbegrenzung. Viele sind angepatzt worden am vorletzten Sonntag. Nicht nur Norbert Darabos. Nicht nur Michael Häupl – dem freilich Hans Rauscher im „Standard“ bescheinigt hat, welch guter Bürgermeister er sei, weil die Stadt im Großen und Ganzen recht anständig funktioniere. Mag sein.

Die Aufarbeitung des Volksbefragungsergebnisses soll indes dort ansetzen, wo die Meinungsforscher ihren Offenbarungseid geleistet haben. Sie haben sich wieder einmal geirrt. Die Beteiligung werde knapp über der Wahrnehmungsgrenze liegen, haben sie sich ausgerechnet. Ätsch! Mehr als die Hälfte der Abstimmungsberechtigten haben sich beteiligt. Es waren auch sehr viele Junge darunter, und viele von ihnen haben für die Wehrpflicht gestimmt.

Was, nächster Punkt der Aufarbeitung, all jene in die Hölle der Dummheit zu verdammen scheint, die behaupten, die Rollstuhlfahrer hätten die Panzerfahrer überrundet, weil ja die Betagten und Hochbetagten den Ausschlag gegeben hätten. Der sogenannte „Kommunikationsberater“ Peter Menasse (nicht mit Robert zu verwechseln, der ist gescheiter) fordert gar eine Kürzung der Alterspension, um die reformierte Wehrpflicht bezahlen zu können: „Pensionisten, ihr wollt das Zwangsheer? Dann zahlt auch die Zeche!“ Wenn ich das Wort Zwangsheer schon höre!


Und weil wir schon dabei sind: Haben nicht Beteiligung und vor allem Ergebnis der Volksbefragung jede Art von Medienkampagne in gewissem Sinn obsolet gemacht? Selten noch hat sich eine solche Diskrepanz ergeben zwischen veröffentlichter Meinung und öffentlicher Meinung. Mag sein, dass sich Ähnliches bei der (wie viele sagen: erpresserischen) Besetzung der Votivkirche durch Asylanten ergibt.

Nicht ein Stein, sondern eine ganze Geröllhalde ist aus der „Krone“ gefallen. Seine Zeitung könne keinen Trend schaffen, sondern nur verstärken, sagte mir einmal Hans Dichand. Wie recht er hatte, bewies das Trommelfeuer gegen die Wehrpflicht. Es ist völlig ins Leere gegangen. Wer hätte das gedacht? Dass sich auch das rot-grüne Biotop im ORF getäuscht hat, wollen wir verzeihen. Haben wir etwas anderes erwartet?

Aufarbeitung samt Schadensbegrenzung: Da sind wir wieder bei Darabos und Häupl. Und bei einem Begriff, den ich irgendwann einmal gelesen habe: Rücktrittskultur. Nein, nicht der Wiener Bürgermeister soll da gemeint sein. Er ist ein wackerer Mann und ein gefinkeltes politisches Tier. Dass er vor der letzten Gemeinderatswahl die Heeresdebatte vom Zaun gebrochen hat, weil er junge Stimmen erhoffte (die dann nicht kamen, er hat im Gegenteil seine Absolute verloren), ist bekannt. Aber Norbert Darabos hat in der österreichischen politischen Arena nichts mehr verloren, außer seine Glaubwürdigkeit. Aber hat er die je gehabt? Selbst für die burgenländische Landesregierung scheint er nicht mehr geeignet.

Also nur Negatives in dieser Bestandsaufnahme? Keineswegs. Vielmehr ein Hoch auf Heinz Fischer. Wollte er in seiner zweiten Amtsperiode jene Lügen strafen, die behaupteten, er scheue Meinungsäußerungen und fürchte sich vor jeder Eindeutigkeit? Nein: Er war, heißt es, skeptisch, einen Zivildiener als Verteidigungsminister zu ernennen, weil er stets die Wehrpflicht schätzte. Er hat dies auch jetzt immer wieder betont. Bravo, Herr Bundespräsident!


Der Autor war langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Presse“.


E-Mails an: thomas.chorherr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2013)

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