Stupidokratie statt Prolokratie? Wider flächendeckende Dummheit

Von der Votivkirche über die fleischgewordene Politsatire zur Homo-Adoption: Gewissenserforschung in der Fastenzeit.

Wir sind also in das Superwahljahr eingetreten. Dabei wussten wir, als wir 2013 so bezeichneten, noch gar nicht, welche Super-Super-Wahl es noch zusätzlich geben werde: im Konklave. Wir ahnten auch nicht, wie deutlich sich Frankieboy als das erweisen würde, was ich schon immer von ihm gehalten habe: als fleischgewordene Politsatire. Nein, der Fairness halber sei festgestellt, dass sich von den skurrilen Äußerungen des austrokanadischen Milliardärs nicht nur politisch Unzurechnungsfähige beeindrucken lassen. Man findet freilich in unserem Land mehr von diesen, als man glauben sollte.

Schluss damit. Wir mögen zwar, wie Kollege Christian Ortner so treffend schrieb, in einer Prolokratie leben, aber (noch) nicht in einem Staat, den ich als Stupidokratie bezeichnen würde. Noch ist die flächendeckende Dummheit nicht feststellbar. Aber sie ist, wie eine in die Fastenzeit passende Gewissenserforschung ergibt, in Spurenelementen vorhanden. Warum fällt mir da etwa Norbert Darabos ein samt seiner jüngsten Eskapade im Zusammenhang mit der Abschiedsfeier für General Entacher? Warum denke ich da auch an Helmut Schüller und dessen Kommentar zum Rücktritt des Papstes? Seine Anforderungen an den neuen lasen sich wie eine Eigenbeschreibung. Aber Gottes Wege sind unerforschlich.

Derzeit sind es freilich die Randgruppen, die zwar nicht die Aufmerksamkeit der öffentlichen, aber umso mehr der veröffentlichten Meinung beschäftigen. Etwa das, was sich in der Votivkirche tut: nichts als Erpressung, wenn man es genau nahm. Die Diskrepanz zwischen dem, was die überwiegende Mehrheit denkt, und den Wünschen einer (zum Teil gesteuerten) Mini-Minorität ist auffällig.

Was mich zwanglos zu jenem Thema führt, das offenbar das Gewissen der Frau Frauenministerin über Gebühr belastet: Wird in Zeiten wie diesen (Bruno Kreisky, der Schöpfer dieser Redewendung, wäre freilich gegenteiliger Meinung) – wird also in Zeiten wie diesen dem traditionellen Familienbegriff allzu große Bedeutung zugemessen? Ist nicht das Regenbogenemblem zur gleichwertigen Marke geworden? Wären nicht, also sprach Gabriele Heinisch-Hosek, viel mehr gleichgeschlechtliche Beziehungen nötig? Und ist die staatlich verbriefte Homo-Ehe nicht längst überfällig? Gewiss, alle Umfragen zeigen, dass solche Wünsche nicht mehrheitsfähig sind. Derzeit und bis auf Weiteres hat der heterosexuelle Ehewunsch vor allem der Mädchen Vorrang.

Aber wer weiß? Wenn sich endlich auch die Bedeutung der Adoptionsmöglichkeit homosexueller Paare allgemein durchsetzt, wird auch den Skeptikern klar werden, dass es immer schwerer wird, sich gegen die Richtung zu stemmen, die von einer bestimmten, diesfalls rot-grünen Ideologie vorgeschrieben wird.

Aber sind wir wirklich alle einer Re-Ideologisierung unterworfen? Gewiss zeigt eine Gesellschaft ihre Qualität in der Art, wie sie mit den Minoritäten umgeht. Welchen Stellenwert sie ihren Randgruppen zumisst. Die Frage ist nur, welche Bedeutung diese Randgruppen in dieser Gesellschaft haben; und auch, wie zahlreich sie sind. Es gibt wichtigere Probleme als die Frage, ob die Schwulen und Lesben Kinder adoptieren dürfen.

Beatrix Karl hat recht, wenn sie vorrechnet, dass es im Vorjahr 37.000 Eheschließungen, aber nur 400 „eingetragene Partnerschaften“ gab. Sie ist randgruppenskeptisch. Ich bin es auch.


Der Autor war langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Presse“.


E-Mails an: thomas.chorherr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2013)

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