Tipps eines "Wutbürgerlichen" für Opa und Oma Courage

Warum nach dem Aschermittwoch nur an die großen Korruptionsfälle denken und nicht auch an den Mist politischen Kleinviehs?

Er war heuer relativ kurz, der Fasching. Wir haben uns am Mittwoch Asche aufs Haupt streuen lassen und die Fastenzeit begonnen. Österreich wird jetzt wieder vom Mainstream durchflossen und seine Strudel reißen auch jene mit, die als Optimisten bekannt (oder verschrien) sind. Es wäre müßig, jetzt wieder auf die Causa prima der heimischen Politik zu verweisen, die man Causae primae nennen muss. Die Korruptionsfälle, von den Medien und besonders vom ORF nach Gebühr vermarktet, haben dafür gesorgt, dass diesem Land angeblich der erste Platz im finanziellen Schwarzmarktwesen Europas derzeit nicht streitig zu machen ist.

Aber Gott sei Dank gibt es auch nach dem Aschermittwoch für einen „Wutbürgerlichen“ (eine Selbstbezeichnung, die mir jüngst in einem Club2 der Gastgeber Michael Köhlmeier freundlicherweise in Erinnerung rief) noch Beruhigungspillen. Da hat doch Joachim Gauck, als neuer deutscher Bundespräsident nominiert, frisch von der Leber weg Richtiges gesagt, worauf er prompt da und dort ein Grollen provozierte. Er hat das Sarrazin-Buch „Deutschland schafft sich ab“ als „mutig“ bezeichnet, und vor allem hat er die weltweite Occupy-Bewegung „unsäglich albern“ genannt.

Böswillige dürfen auch die heimischen Ableger, also Opas und Omas Courage, dazurechnen. Allein, ich bin nicht böswillig, im Gegenteil. Ich ärgere mich (als „Grantscherben der Nation“, wie mich einst ein liebevoll gemeinter Leserbrief nannte) über Dinge, die an Wichtigkeit mit den vom parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu prüfenden Affären nicht zu vergleichen sind.


Aber auch Kleinvieh macht Mist. Ich wundere mich zum Beispiel, dass niemand Anna Netrebko kritisiert hat, als bekannt wurde, dass sie, eine österreichische Staatsbürgerin, offiziell als Wahlwerberin für Wladimir Putin fungiert. Ja derf s' denn das? Oder hat sie, deren Ende als unbestrittener Opernstar absehbar ist, schon eine politische Karriere im Auge?

In der Tat, auch Miniwut kann die Nerven strapazieren. Wie darf es passieren, dass ein wenngleich wichtiges Grüppchen von Flughafenangestellten durch einen Streik einen der größten Airports der Welt, den Frankfurter, tagelang lahmlegt, weil ihnen exorbitante Gehaltsforderungen zugleich mit nicht minder bedeutenden Arbeitszeitverkürzungen abgeschlagen wurden? Solches hätte sich nicht einmal Fritz Neugebauer, als Betonschädelgewerkschafter verrufen, jemals getraut.

Und muss man wirklich ein Zornbinkel sein, wenn einem manche politisch gemeinten, aber gelinde gesagt skurrilen Vorschläge als – pardon! – Schnapsidee vorkommen? Da ist doch wirklich „angedacht“ (welch grausige Wortschöpfung) worden, auf dem Heldenplatz ein Denkmal für die Deserteure der Wehrmacht zu errichten. Verteidigungsminister Darabos sagte Ja; nur der Ort scheint ihm falsch. Aber was soll's, da doch seinerzeit in Wien ein Monument für Che Guevara feierlich eingeweiht wurde!

Auch Kleinvieh macht Mist. Auch möglicherweise Belangloses kann aufregen. Aber noch ist es nicht zu spät, allfälligen geplanten Mist auf die Ablagerungsstätte hirnrissiger Gedanken zu transportieren. Die Unterbrechung und teilweise Verkürzung der Citybusse sollte so schnell wie möglich ad acta gelegt werden. Aber was sind solche wutbürgerlichen Anfälle gegenüber dem, was wirklich die Republik zu erschüttern vermag! Fragen Sie Peter Pilz.


Der Autor war langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Presse“.


E-Mails an: thomas.chorherr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2012)

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