Selbst der neue Weltmeister ist auf dem Holzweg

Frankreich gegen Kroatien
Frankreich gegen Kroatienimago/Matthias Koch
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Ein Plädoyer für den Ballbesitz: Was Mannschaften wie Frankreich oder Belgien so erfolgreich macht, führt zum Niedergang der Spielkultur.

Weil eine Weltmeisterschaft immer auch ein fußballerischer Trendbarometer ist, lassen die vergangenen vier Wochen Schlimmes befürchten. Sogar Weltmeister Frankreich bot nicht viel mehr als ängstlichen Sicherheitsfußball. Zwar verneigen sich nun alle vor der "Cleverness" der Franzosen und ihrer "taktischen Meisterleistung", tatsächlich aber war selbst dieses Kollektiv aus Hochbegabten vor allem eines: angetrieben von der Angst vor den eigenen Fehlern.

Über Sieg und Niederlage entscheiden im Leistungssport meist nur wenige Schlüsselmomente. Das Tiebreak beim Tennis, der Steilhang beim Skirennen, der fünfte Schuss beim Biathlon. Oder eben ein Spielzug in einem WM-Finale. Und wehe dem, der in diesem Moment einen Fehler begeht.

Genau darauf basiert das bei dieser WM zelebrierte Spielsystem, das viel zitierte Umschalten. Nach der Balleroberung geht es blitzartig nach vorne, der Gegner ist noch in der Vorwärtsbewegung, die Räume sind offen. So haben die Europäer in Russland die Samba-Fußballer aus Südamerika verabschiedet, so hat Belgien das beste Ergebnis seiner Geschichte eingefahren, so ist Schweden bis ins Viertelfinale und Frankreich zum Titel marschiert.

Ballbesitz ist längst nicht mehr die beste Verteidigung, wie es uns einst die Spanier erklärt haben. Schließlich, und auch das hat diese WM gezeigt, kann selbst eine Defensive aus mittelmäßigen, aber taktisch einigermaßen geschulten Spielern Stars wie Lionel Messi zur Verzweiflung bringen.

Wie sollen Alaba und Co. auftreten?

In der österreichischen Bundesliga hat das Umschaltspiel schon Einzug gehalten. Weil hierzulande meist die Qualität für die überfallartigen Angriffe fehlt, vor allem als ideenarmer Verhinderungsfußball. Auch die Afrikaner haben es bei der WM mit der europäischen Taktik versucht und damit ihr schlechtestes Ergebnis seit 1982 eingefahren.

Denn es ist ein Trugschluss, zu glauben, das Warten auf Fehler des Gegners würde eine eigene, offensive Spielkultur ersetzen. Präzision im Ballbesitz, Tempo und Kreativität vor dem gegnerischen Strafraum wurden in Russland schmerzlich vermisst. Um Tore zu erzielen, setzt man stattdessen auf Freistöße und Eckbälle. Ralf Rangnick, der Vordenker im Fußballimperium von Red Bull, hat bereits angekündigt, künftig 30 Prozent des Trainings für Standardsituationen aufwenden zu wollen. Es klingt wie eine Drohung.

Das österreichische Nationalteam trifft in der neuen Nations League im September auf Nordirland und Bosnien-Herzegowina, die Nummern 29 und 40 der Fifa-Weltrangliste. Wie sollen David Alaba und Co. auftreten? Wie Angsthasen, die lieber auf die Patzer eines Außenseiters warten oder als Favoriten, die das Spiel selbst in die Hand nehmen? Teamchef Franco Foda war in Russland, er sah auch den französischen Triumph im Moskauer Luschniki-Stadion. Bleibt zu hoffen, dass er weiterhin die richtigen Schlüsse zieht.

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