Der Apfel ist mir zu bio

Äpfel
Äpfel(c) Clemens Fabry (Presse)
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Im Abfall landen die Eigenwilligen und die Versehrten. Denn bio steht für beautiful. Oder nicht?

Ob Milch von glücklichen Kühen, Käse von heiteren Schafen, Müsliriegeln mit lustigen Weintrauben oder einem Apfelsaft mit – richtig – fröhlichen Rosengewächsen. Die farbenfrohe Verpackung macht gute Laune, der Inhalt mundet. Vor allem aber: Er ist bio. Und damit ist nicht nur das Gewissen beruhigt, sondern auch das Image des umsichtigen Einkäufers gewahrt – so lange die Produkte so bio-tiful sind, wie die Werbung vorgibt.

Denn geht es darum, unverarbeitetes Obst und Gemüse auszuwählen, ist bio zwar toll, aber nicht alles. „Diese Äpfel sind mir zu bio“, sagte eine Bekannte unlängst, die Augenbraue erhoben, die Mundwinkel gesenkt. „Die sind unförmig und haben Sommersprossen.“ Übersetzung: Sie haben asymmetrische Rundungen. Und Stippe – einen Calciummangel, der sich in Form kleiner brauner Punkte zeigt. Er tritt auf, wenn der Baum zu stark zugeschnitten wurde, zu viel oder wenig Wasser bekam. Schmecken tun die Äpfel trotzdem, das nützt ihnen nur nichts. Sie werden verschmäht, landen im Mist. Und bleiben nicht allein.

Die Unternehmensberater der Boston Consulting Group kritisierten gerade, dass binnen einen Jahres weltweit rund 1,6 Milliarden Tonnen Lebensmittel weggeschmissen werden. Zum einen liegt das am Überschuss, zum anderen an fehlendem Erntegerät, falscher Lagerung oder ausbleibendem Vertrieb. Freilich nicht nur von Bioware. Trotzdem entsetzlich. Auch nicht besser: Manche (Bio-)Produkte schaffen es erst gar nicht aus dem Garten oder vom Acker. Speisekartoffeln etwa, deren Durchmesser unter 35 Millimeter liegt, will der Handel nicht. Laut WWF werden bis zu fünf Prozent der Ernte sofort wieder untergepflügt.

Das macht betroffen – und weckt Erinnerungen. Zum Beispiel daran, als man mit Freunden im Hof spielte und einer auf die Idee kam, auf den Kirschbaum zu kraxeln und die mal mehr, mal weniger roten Steinfrüchte zu schmausen. Wissen Sie noch? Oder: Wie herrlich Omas Zwetschgenkuchen schmeckte, wenn das Obst vorab gemeinsam im Garten geerntet wurde. Die verbeulte Zwetschge schmeckte ebenso gut wie die ovale. Die Dellige vom Nachbarbaum überhaupt am besten. Beautiful war das alles nicht immer, aber man wollte davon ja auch kein Foto machen.

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