Heute sudern wir einmal nicht über die unfreundlichen Wiener

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THEMENBILD: WETTER / SCHNEE IN WIENAPA/HANS KLAUS TECHT
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Wien wurde einmal mehr zu einer der unfreundlichsten Städte weltweit gewählt. Ziemlich deppat, oder etwa doch nicht?

Wenn man sich schon damit herumschlagen muss, ständig als Stadt mit der höchsten Lebensqualität in die Auslage gestellt zu werden, ist es zumindest ein kleiner Trostpreis: Wien wurde erneut von Zuagrasten zu einer der unfreundlichsten Städte weltweit gewählt. Schlimmer soll es nur in Riad, Dschidda und Rom sein. Interessante Auswahl, aber lassen wir die Studie Studie sein und werfen wir einen Blick auf die hohe Kunst der Unfreundlichkeit, die im Wiener Alltag praktiziert wird. Diese findet sich geballt auf der Facebook-Seite der "Wiener Alltagspoeten", die Kleinode aus der einzigen österreichischen Großstadt sammeln.

In einem Lokal hört sich das zum Beispiel so an: Gast: "Entschuldigung, ist der Tisch frei?" Ober: "Schaut ziemlich frei aus". "Ich wollt nur höflich sein", rechtfertigt sich der Gast. "I eh a", kontert der Ober. Es gibt keine dummen - Pardon!, deppaten - Fragen, sondern nur deppate Antworten? Wer diesen Aphorismus erfunden hat, kann kein Wiener sein. Und wer Fremde mit "mein Freund" anspricht, hat sowieso schon verloren. Szenen vor einem Buchgeschäft im 21. Bezirk: Ein Augustin-Verkäufer fragt einen Herrn: "Mein Freund was liest du denn da?“ Antwort: "Ich les Tolstoi du Trottel – und jetzt schleich di." Gut, das ist Standard. Mehr Fertigkeiten erfordert die in Freundlichkeit verpackte Unfreundlichkeit. Ein geglücktes Beispiel haben die "Alltagspoeten" bei einem Herrn in der U-Bahn mitgehört: "Sag der Gerti schöne Grüße – aber ned von mir, von der Irmi – ned von mir."

Apropos Floskeln: Auf ein unverbindliches "Hallo, wie geht’s dir denn?" mit einem "gut" zu antworten, würde einem echten Wiener nicht im Traum einfallen, schon gar nicht wenn er Publikum hat. Stattdessen lieber eine Gegenfrage: "Wie soll's einem schon gehen, wenn ma den ganzen Tag Mist fiarn tuat?" Kommt übrigens nicht von einem MA48-Angestellten, sondern vom Fahrer des vollen D-Wagens. Der Kollege vom 43er steht ihm in puncto Servicementalität um nichts nach. Als sich ein Fahrgast lautstark über seinen Fahrstil beschwert, folgt prompt der Konter: "Hearst, wenns gmiatlich fahren willst, nimm an Fiaker!" Es geht freilich auch umgekehrt: "Wunderbaren guten Morgen, liebe Fahrgäste. Wir befinden uns gerade am Ring an diesem schönen Tag", sagt der Fahrer des 71er durch. Das will ein Passagier so nicht hinnehmen: "Heast, ned so freundlich – wir sind hier in Wien."

So ist es, die Unfreundlichkeit gehört eben zu Wien wie das Riesenrad. Also warum nicht einmal damit aufhören, darüber zu sudern, sondern einfach darüber lachen? Wobei das Sudern halt auch irgendwie zu Wien gehört. Okay, und das mit dem Lachen ist auch so eine Sache. Es ist eben alles kompliziert.

>>> Facebook-Seite der "Wiener Alltagspoeten"

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