Das EU-Eigentor namens Zeitumstellung

Zeitumstellung
ZeitumstellungAPA/dpa/Daniel Naupold
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Ein halbes Jahr vor der Europawahl haben sich EU-Kommission und Mitgliedstaaten ein kleines Debakel eingebrockt. Davon werden die Feinde der europäischen Einigung profitieren.

Hat sich der alte Fuchs Jean-Claude Juncker da einen Jux gemacht, um all die Minister der Mitgliedstaaten vorzuführen, die stets gegen "Brüssel" lästern und sich mehr "Subsidiarität" wünschen (was sie auf Nachfrage nicht präzisieren können, de facto aber meinen, die EU sollte sich aus ihren nationalen politischen Spielwiesen heraushalten)? Man könnte fast den Eindruck gewinnen, der EU-Kommissionschef habe mit seinem Vorschlag, die Mitgliedstaaten sollten doch selbst entscheiden, ob sie die Uhren umstellen wollen oder nicht, aller Welt vor Augen führen wollen, dass der Rat, also das Entscheidungsgremium der Mitgliedstaaten, die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefressen hat.

"Die Leute wollen das, also machen wir das", hatte Juncker im Herbst im ZDF-Frühstücksfernsehen locker verkündet und damit das mögliche Ende der zweimaligen Zeitumstellung pro Jahr in Aussicht gestellt. Entscheiden müssen das freilich die Mitgliedstaaten. Und sie führen eindrucksvoll vor, dass sie dieser Frage nicht gewachsen sind. Nach ersten, vollmundigen Ankündigungen, wonach dieser oder jene Staat schon im nächsten Jahr ganz gewiss auf dauerhafte Sommer- oder Winterzeit umsteigen werde, hat man nun bei näherer Befassung mit dem Sujet kleinlaut befunden: verschieben wir die Entscheidung doch auf unbestimmt.

Hat Juncker also, knapp vor Ende seiner Amtszeit, den Regierungen eine wertvolle Lektion erteilt? Das Problem an diesem Winkelzug ist, dass die meisten Bürger nicht zwischen Rat, Kommission und Europaparlament unterscheiden. Für sie gibt es nur "die EU". Und "die EU" ist offensichtlich nicht einmal in der Lage, sich darauf zu einigen, wann an der Uhr gedreht werden soll.

Das ist, weniger als ein halbes Jahr vor den Wahlen zum Europäischen Parlament, keine gute Entwicklung. Denn man darf davon ausgehen, dass dieses Eigentor mit der Zeitumstellung den Feinden der Einigung Europas als Wahlkampfmunition dienen wird. Das hätte Juncker bedenken müssen, ehe er voreilig (und noch dazu auf Grundlage einer höchst selektiven Internetbefragung) mit diesem Vorschlag vorpreschte.

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