Die tragikomische Wahl der Ukraine

Protest, Verzweiflung, Hoffnung: Ein Gutteil der Wähler will mit dem Komiker Wolodymyr Selenskij das Neue riskieren. Was aber ist es?

Der Comedian Wolodymyr Selenskij wird Amtsinhaber Petro Poroschenko bei der Stichwahl am 21. April herausfordern. Er hat reale Chancen auf das Präsidentenamt. Am Sonntag erlangte er in der ersten Wahlrunde einen Erdrutschsieg: Laut der bisherigen Auszählung errang er 30 Prozent der Stimmen. Der Präsident kam auf knapp 17 Prozent. Er erklärte am Wahlabend, den Weckruf der Wähler verstanden zu haben. Es könnte zu spät sein für ihn.

In den letzten Wochen war nicht klar, ob Selenskij nur ein Social-Media-Phänomen ist oder tatsächlich als Kandidat an der Urne überzeugen kann. Er konnte es.

Zwei ungleiche Kandidaten stehen einander in der Stichwahl gegenüber: Poroschenko steht für Stabilität, man könnte auch sagen: für Stillstand. Selenskij steht für Protest, für das Neue. Nur: Wofür genau? Genau das ist das Problem.

Was bedeutet also Selenskijs überraschend gutes Resultat? Kurz gesagt: Die Wähler haben die Nase voll. Der sympathische Anti-Establishment-Kandidat Selenskij symbolisiert Protest, Verzweiflung und Hoffnung. In seinen Comedy-Shows hat er oft genug vorgemacht, was korrupte Politikern verdienen: Spott und Häme. Poroschenkos schlechtes Resultat ist der Spott der Wähler.

Die entscheidende Frage ist: Ist Selenskij tatsächlich ein Vertreter der neuen, sauberen Politiker-Generation, die sich die ukrainischen Bürger so sehnlichst wünschen? Oder nur eine neue Variation ein und desselben intransparenten Modells? Sein mutmaßlicher Unterstützer – der Oligarch Ihor Kolomojskij und dessen ziemlich populistischer TV-Kanal 1+1 – lassen leider auf nichts Gutes hoffen.

Man kann verstehen, dass die Bürger der Ukraine ihre korrupten Politiker satt haben. Selenskij könnte deshalb eine tragische (und trügerische) Wahl sein.

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