Europa wählt, doch kaum jemanden kümmert's

Nicht einmal jeder zehnte Österreicher weiß, wann die Europawahlen stattfinden: eine Erinnerung daran, dass politische Bildung zum Pflichtfach für jeden Schüler werden muss.

Schreck, lass nach: einen Monat vor der Europawahl wissen nur fünf Prozent aller Europäer, wann genau sie stattfindet (nämlich von 23. bis 26. Mai). Jeder Dritte weiß zumindest, dass im Mai gewählt wird. 38 Prozent hingegen gaben völlig falsche Antworten oder erklärten, es nicht zu wissen. Dieses Ergebnis liest man im Frühlings-Eurobarometer des Europaparlaments, veröffentlicht dieser Tage. In Österreich ist die Kenntnislage nicht viel besser: zwar wissen neun Prozent den richtigen Wahltag - aber nur 18 Prozent sagen, dass sie ziemlich sicher wählen werden, was der fünftschlechteste Wert aller Mitgliedstaaten ist. 39 Prozent hingegen antworteten, sie würden eher nicht wählen gehen.

Das sind unschöne Aussichten angesichts des Umstandes, dass die EU einige existenzielle Fragen zu lösen hat - vom Klimawandel über die Migrationspolitik bis zum wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Innovationsrückstand gegenüber China und den USA -, bei denen das zu wählende Europaparlament eine wichtige Rolle spielen wird. Es ist kaum tröstlich, dass diese Befragung im Zeitraum vom 19. Februar bis 4. März stattgefunden hat, Kenntnis und Interesse seither also gestiegen sein dürften: seit September vorigen Jahres nämlich war der Anteil derer, die angaben, sicher wählen zu wollen, um vier Prozentpunkte gesunken, jener derer, die eher nicht wählen werden, um zwei Punkte gestiegen.

Diese Entfremdung der Bürger von einem ihrer wichtigsten Rechte - nämlich ihre politischen Vertreter in Brüssel und Straßburg selbst mitzubestimmen - erinnert schmerzhaft an die fehlende politische Bildung an Österreichs Schulen. Keine noch so fachmännisch gestaltete Informationskampagne kann bei einer Bevölkerung fruchten, die zu einem Gutteil nie gelernt hat, worum es bei der EU und folglich bei der Europawahl geht. „Erweiterung von Geschichte und Sozialkunde durch Staatskunde und politische Bildung ab der 5. Schulstufe zur Vermittlung unserer staatlichen Grundwerte und der rechtsstaatlichen
Prinzipien", liest man im Regierungsabkommen von ÖVP und FPÖ. Das ist löblich - doch las man schon im Regierungsprogramm für die Jahre 2008 bis 2013 das Ziel „Politische Bildung verstärken". Was geschah seither?

Die Jugend jedenfalls wünscht sich das: rund 40 Prozent der 16- bis 26-Jährigen gaben im Rahmen des Demokratie-Monitors von SORA an, sie „hätten in der Schule außerdem gerne mehr darüber gelernt, wie sie sich beteiligen können, wie die Qualität politischer Berichterstattung beurteilt werden kann und wie Politik in Österreich funktioniert.“ Um das viel strapazierte Sprichwort zu paraphrasieren: Hänschen möchte gerne das lernen, was er als Hans vor der Wahlurne wissen wird müssen.

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