Zeugenschutzprogramm auf österreichisch

Clemens Fabry
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Bei der EU-Wahl dürfen bis zum späten Abend ausschließlich Vertreter von Parteien die Ergebnisse verraten. Das ist nur noch kurios.

Wenn am Tag der Europawahl um 17 Uhr das letzte Wahllokal in Österreich schließt, soll es nun doch eine Hochrechnung geben. Zwar ist es offiziellen Stellen laut einer EU-Vorgabe verboten, über die Ergebnisse zu sprechen, bis das letzte Wahllokal in der EU um 23 Uhr in Italien schließt. Und auch die von den Parteien an die Urnen entsandten Wahlbeisitzer müssen schweigen. Doch daneben gibt es in Österreich zusätzlich noch Wahlzeugen. Das sind ebenfalls von den Parteien entsandte Vertrauensleute. Sie dürfen aber im Gegensatz zu den Beisitzern nicht mitauszählen, sondern bei der Auszählung der Stimmen nur zuschauen.

Und für diese Wahlzeugen hat das österreichische Gesetz keine Schweigepflicht vorgesehen. Oder man hat sie einfach vergessen. Möglichst vieler solcher Wahlzeugen sollen das Ergebnis ihres Sprengels jedenfalls nun in eine eigens erstellte Wahlzeugenplattform eintragen. Daraus wollen dann die Experten eine Hochrechnung für die Medien erstellen. Das sei dann auch legal, bestätigt das Innenministerium.

Die Rechtslage ist also kurios. Während amtliche Wahlergebnisse untersagt sind, darf nur das publiziert werden, was  Parteigänger sagen. Obwohl letzteres weniger seriös ist. Logischer wäre, dass entweder auch Wahlzeugen wie Wahlbeisitzer ihr kleines Geheimnis für sich behalten müssen. Dann bliebe die EU-weite Sperrfrist tatsächlich gewahrt. Oder man weicht die Regeln wieder auf und erlaubt es doch, nach dem nationalen Wahlschluss wieder offizielle Wahlergebnisse in Österreich zu publizieren.

Sicher, dann könnte der Spätwähler in den heißen Nächten von Palermo wieder vom amtlichen Wahlergebnis aus Wulkaprodersdorf beeinflusst werden. Aber das kann genauso passieren, wenn die sizilianischen Wähler vom österreichischen Wahlzeugenschutzprogramm und den darauf fußenden Ergebnisse erfahren. Einmal abgesehen davon, dass das Rennen zwischen Othmar Karas, Andreas Schieder und Harald Vilimsky vielleicht ohnedies nicht ganz Europa in den Bann ziehen wird.

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