Molière auf dem Gerüst

Wohin du schaust und greifst, liegt Stoff für tausend Possen“, heißt es beim großen Molière.

Sein Heimatland, Frankreich, erheitert uns gerade mit einem rechten Komödienstoff. Eine „Molière-Klausel“ soll garantieren, dass die Arbeiter an öffentlichen Baustellen französisch sprechen. Ob sie das Versmaß der großen Klassiker beherrschen müssen, blieb offen. Doch mehr Sprachdisziplin auf dem Bau kann nicht schaden. Man kann schließlich auch sagen: „Hab's dir schon hundert Mal gesagt, reich mir den Hammer rüber.“ Wir goutieren das. „Wer so spricht, dass er verstanden wird, spricht immer gut“, heißt es bekanntlich.

Fünf Wochen vor den wichtigen Präsidentschaftswahlen ist die Maßnahme zweifellos ein Tiefschlag für die nationalistische Kandidatin. Auch ohne sie ist sich die Nation ihrer Würde bewusst! Fern sei der Gedanke, dass damit eine diskriminierende Maßnahme gegen die polnischen und portugiesischen Leiharbeiter, die sich für ihre schlecht bezahlten Jobs nicht auch noch einen Sprachkurs leisten wollten, gesetzt werden sollte. Man ist allein dem alten Spruch verpflichtet: „Der Grammatik müssen sich selbst Könige beugen.“ Also warum dann nicht die Gerüstbauer. Die Unkenntnis Molières in einer Kulturnation wie Frankreich bedeutet zweifellos einen eklatanten Fall von Integrationsverweigerung. (gh)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2017)

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