Verwestlichung schaut anders aus

Ein bisserl Diversity und Multikulti schaden auch den Simpsons - hier also den Singhsons - nicht.
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Eine Kollegin schrieb jüngst über differierende Zeitangaben in West- und Ostösterreich und meinte, dass etwa das östliche "Viertel neun" für 8.15 Uhr durch "Viertel nach acht" verdrängt werde, da es eine zunehmende "Verwestlichung Wiens" gebe. Jössas na!

„Die Zeit im Westen vergeht nicht wie die Zeit im Osten", schrieb jüngst eine liebe Kollegin, und sprach dann den Unterschied zwischen Zeitangaben wie „Viertel nach acht" an, wie es in Westösterreich üblich sei, und dem dasselbe meinen wollenden „Viertel neun" im Osten. Dort, im Osten also, müsse man das östliche Viertel-irgendwas mittlerweile angeblich zusehends rechtfertigen, weil: „Die ,Viertel nach acht'-Fraktion scheint nicht zuletzt wegen der Verwestlichung Wiens rasant zu wachsen."

Ja, man kennt diesen Unterschied. Ein Kollege aus Oberösterreich wiederum sagt, dort heiße es auch „Viertel über acht". Was sagt uns das alles? Es bestätigt Mentalitäten: Viertel-nach-acht-User sind im Geist noch im Gewesenen, es ist Ausdruck des Beharrenden, des Abwarten-und-Teetrinken-Prinzips. Westler gelten ja als eher konservativ. Wenn's etwa in Tirol åchte ischt, ischt as åchte, und fertig, sicher no nit neine, tuat's nit hetzen, die Zeit håt noch Zeit!

Ostis dagegen sind um acht oder schon kurz danach im Geist offenbar schon bei neun. Sie stürmen vorwärts, wo Engel furchtsam weichen, aber die sind ja auch bekannt progressiv, fortschrittsliebend und liberal. Wie sang doch Falco, der Wiener, einst in „Helden von heute": „Oho, oho, oho, wir haben den Blick in der Zukunft". Genau, was schert uns das Gestern oder Jetzt.

Was aber sagt „Viertel über acht" über die Ober-Ösis? Dass die nicht recht wissen, ob sie Ost oder West sind, aber aufgrund der Verwendung von "acht" bzw. der jeweils zurückliegenden vollen Stunde im Kern doch eine Westlastigkeit besteht. Das schadet bekanntlich auch nicht.

Apropos „Verwestlichung Wiens": Sorry, dort trägt sich ja seit Längerem so einiges zu – aber Verwestlichung schaut anders aus. (wg)

Reaktionen an:wolfgang.greber@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2017)

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