Die anständig Unanständigen

Ja hallöchen, wir können eben doch auch anders und drücken mal ein Auge zu, wenn's uns wichtig ist, gell.
Ja hallöchen, wir können eben doch auch anders und drücken mal ein Auge zu, wenn's uns wichtig ist, gell.The Simpsons
  • Drucken

Wieso bei der Wahl so viele Leute, davon viele Grüne, just zu einer Partei überliefen, die gerade einen bösen Bock geschossen hatte, und ihr Platz 2 retteten, ist schon seltsam.

Weiter macht einen, nein, macht viele ziemlich ratlos, wieso eigentlich vor einer Woche laut Wählerstromanalyse mehr als 400.000 frühere Wähler anderer Parteien sowie Nichtwähler just zu jener Partei übergelaufen sind und ihr damit gnädigerweise Platz 2 retteten, die sich kurz zuvor eine der größten Boshaftigkeiten (manche sagen "Skandal" dazu) der letzten Jahrzehnte zurechnen lassen musste: nämlich strategisch organisierte Täuschung der Öffentlichkeit durch getürkte (a)soziale Medien samt Abgleiten in Grausliches zu Wahlschlachtzwecken. Die Sache liegt schon bei der Staatsanwaltschaft.

Gleich 161.000 jener WechselwählerInnen kamen übrigens von den Grünen. Was sagt das so über Moralstandards, Idealismuswerte und Gutheitsniveau aus? Aber lassen wir das. Viele werden dann nämlich gleich ungut.

Nun, zum aufgeklärt-liberal-urban-modernen Anstandsmodell zählt ja vorgeblich auch das Vermeiden von Witzen und Spott mit Bezug etwa auf Personennamen, Alter, Gender, Ethnie und Äußeres einer Person. Für „Anstand in der Politik" hatte kurz vor der Wahl in einem Magazin auch eine bekannte Wiener Schriftstellerin, Neigungsgruppe Kinderbücher, plädiert, und gemeint, sie hätte nie für möglich gehalten, dass „ein großohriges Bubi" ihr einmal erklären werde, wie es im Leben weitergeht.

Aber pfui! Das kann man doch nicht so sagen! Man stelle sich den Trümmerltaifun von Backbord vor, wenn das Pizzicato (es ist eigentlich eher kein Anstandswauwau) auf ähnliche Weise über Personen links der Mitte oder Menschen mit politisch korrektem Sonderschutzstatus ätzen würde, etwa. . . aber halt! No way. Wir machen hier sicher nicht 'nen Böhmermann und packen faktische Ungustliaden grinsend hinter den Schutzschild der Kunst im Allgemeinen und der Satire im Speziellen. Das wär unanständig. (wg)

Reaktionen an:wolfgang.greber@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.