Sommerinterview

Wo sind sie hin, die seligen Zeiten, da die politischen Sommerinterviews die Republik in Atem hielten! Da muss man schon weit zurückgreifen. In die – erraten – Ära Kreisky.

Interviewtermin beim „Alten“ am späteren Nachmittag. Die zwei „Presse“-Leute nicken schon zwei Stunden lang brav zu Kreiskys ausholendem Monolog über Nahost, die Sozialversicherung, China, die USA und Mohnnudeln. Die treue Chefsekretärin steckt den Kopf zwischen den Türspalt: „Herr Bundeskanzler, Ihr nächster Termin . . .“ „Wer is' es denn?“ „Der Herr Bundespräsident wartet.“ „Ja, der muss jetzt warten. Ich hab da die zwei Herren von der ,Presse‘. Ja?“ Kreisky alteriert sich nun die nächste halbe Stunde über einen „Kurier“-Journalisten: „Der . . ., so was von schäbig! Da kann ich nur sagen, meine Herren, pfui Teufel! Ja Sie, Sie sind nobel, anständig, da weiß man, wo Sie stehen, aber der . . ., no der kriegt kein Interview mehr. Ja?“ Schon wieder durch den Türspalt: „Herr Bundeskanzler, der Herr Bundespräsident hat anrufen lassen . . .“ „Na so, wir sind's ja eh glei'.“

Als die zwei Redakteure erschöpft, aber glücklich aus dem Tor schreiten, fällt ihr Blick hinüber zu den Räumlichkeiten des Präsidenten. Alles finster, totenstill. Herrn Kirchschläger hat es offenbar gereicht. Oder der „Alte“ hat eine neue Finte erprobt. (hws)

Reaktionen an: hans-werner.scheidl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2018)

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