Die bleierne Zeit im Donbass

Unlängst fuhr ich zur Erholung in den ostukrainischen Donbass. Hier gibt es neben Kohlegruben und Fabrikschloten auch malerische Orte wie das Städtchen Swjatohirsk.

Es liegt an einem Fluss, der sich durch dichten Wald schlängelt. Ein Kloster der orthodoxen Kirche thront auf einem weißen Felsen oberhalb des Ufers. Vor vier Jahren, im Sommer 2014, waren das Kloster und die umliegenden Pensionate Zufluchtsstätte für Hunderte Binnenvertriebene, die aus der nahen Kampfzone geflohen waren.

Mittlerweile ist ein Großteil der Flüchtlinge aus den Übergangsquartieren weitergezogen und in die Hotels sind die angestammten Bewohner zurückgekehrt: Touristen aus der Umgebung. Tagsüber strampeln sie in Tretbooten über den Fluss, besuchen das Kloster und erklimmen die Hügel. Swjatohirsk steht für ein Stück Unbeschwertheit in einem verfahrenen, nicht enden wollenden Konflikt. Gleichzeitig ist das Ferienidyll trügerisch. In meinem Pensionat lernte ich einen älteren Mann aus dem Dorf Werchnotorezke in der Nähe von Donezk kennen. Er kann nicht zurück, weil rund um sein Haus geschossen wird. Oft sah ich ihn auf einer Holzbank sitzen und ins Grün blicken. Bis auf Weiteres bin ich hier, sagte er. Eine bleierne Schwere lag über dem Mann, der den Urlaubsort nicht verlassen kann. (som)

Reaktionen an: jutta.sommerbauer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2018)

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