Mieses Maturatreffen

Vor Kurzem: Maturatreffen, das sechsundfünfzigste schon

Vor Kurzem: Maturatreffen, das sechsundfünfzigste schon. Fast jedes Jahr war er dabei, dieser längst pensionierte Ministerialrat. Obergscheit, liebedienerisch, wetterwendisch, daher schon zu Schulzeiten unbeliebt. Small Talk also. Und, wie geht's der Familie?

O Gott, hätte ich nur das nicht gefragt, man könnte sich nachträglich ohrfeigen. Denn wie auf das Stichwort holt der Angeber tief Luft und kann endlich allen Umstehenden vom Glück seines Alters berichten: Den Enkelsohn habe er nun glücklich in der Nationalbank unterbringen können. Und der sei nun quasi seine Altersversorgung: „Eine freiwillige Kinderbeihilfe bis zu 350 Euro monatlich kriegt er“, behauptet der Opa und übertreibt sicher wie gewohnt. „Auch eine Familienzulage von 150 Euro, gleich 15 Mal jährlich; dazu je nach Alter gestaffelte Zuschüsse zur privaten Krankenzusatzversicherung von bis zu 100 Prozent – auch für die Kinder, eine Heiratsbeihilfe von 360 Euro, eine Geburtenbeihilfe – 364 Euro, Karenzzuschuss 240 Euro pro Monat.“

Genüsslich steckt er den Zettel wieder ein. „Na, was sagt's? Von den günstigen Betriebsdarlehen red ich gar nicht erst. Nein, also wir können wirklich nicht klagen“, seufzt er zufrieden. Nun gut, geflunkert hat er ja immer schon, aber so viele unverschämte Lügen auf einem Fleck! Und er geniert sich nicht! (hws)

Reaktionen an: hans-werner.scheidl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2019)

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