Wer aber überwacht die Wächter?

Eine planmäßige Kontrolle der Staatsanwälte ist unerlässlich.

Die Staatsanwälte sind Wächter des Strafrechts. Wer aber überwacht die Wächter? Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte lehren: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Zur Erinnerung: in den 90er-Jahren wurden 143 Brandanschläge der grün-linken Anarcho- und „Tatblatt“-Szene angezeigt, kein einziger wurde vor Gericht verhandelt; die Kritik ehemaliger Höchstgerichtspräsidenten im Falle Kampusch (Lob und Anerkennung für den mutigen Ludwig Adamovich, auch er hätte kapitulieren können), die beiden Fälle Dörfler – in Wahrheit ein Fall „Staatsanwalt Klagenfurt“; etc.

Das Gesetz ist nicht für alle gleich, so der Anschein. Die Selbstkontrolle der Staatsanwaltschaften ist nicht ausreichend. An der Spitze der Kontrolle steht – theoretisch – der Justizminister. Früher haben die Minister ihr Weisungsrecht auch ausgeübt und zusehends in Verruf gebracht: Wer erinnert sich nicht an die 26 Weisungen von Minister Broda im AKH-Skandal zum Schutze seiner Parteifreunde, an die Verschonung von Udo Proksch durch Minister Ofner mit den Worten „Die Suppe ist zu dünn“? Die Minister nach Nikolaus Michalek haben ihr Weisungsrecht nicht mehr ausgeübt – der Verdacht des politischen Missbrauchs war allgegenwärtig. So bleibt die Kontrolle der Staatsanwälte seitdem den Beamten im Ministerium überlassen. Sie schalten und walten de facto ohne jede Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit. Politisch verantwortlich wäre der Minister, der aber keine Weisungen erteilt. Das hat zum Scherbenhaufen geführt, von dem wir erst die ersten Scherben gesehen haben.

Was tun? Die Staatsanwälte weisungsfrei stellen? Die Fälle, die jetzt ans Tageslicht kommen, legen das Gegenteil nahe: Planmäßige Kontrolle ist unerlässlich! Durch einen Ausschuss des Parlaments? Das Parlament hat nicht das notwendige Vertrauen. Nach dem Schauspiel der Untersuchungsausschüsse die Justiz unter die Kontrolle der Herren Pilz und Graf stellen? „Da würden ja die Böcke zum Gärtner“, so die Bevölkerung.

Wir müssen von anderen Ländern lernen. In vielen Demokratien übt die Kontrolle über die Staatsanwälte eine fachlich ausgewiesene, parteipolitisch nicht engagierte Persönlichkeit aus. In Österreich könnte ein weisungsfreier Generalstaatsanwalt vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung bestellt werden – unter Beachtung von Unvereinbarkeiten wie für Präsidenten von Höchstgerichten und einer Berichtspflicht ans Parlament. Die bekannt gewordenen Vorkommnisse haben schon lange bestehende Verdachte bestätigt und dem Ansehen der Gerichtsbarkeit unermesslichen Schaden zugefügt. Das Vertrauen in die Justiz ist erschüttert. Es besteht daher Bedarf an grundlegender Veränderung – Schminke genügt nicht mehr.

Univ.-Prof. Andreas Khol war Nationalratspräsident.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2009)

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