Ist das Land erst mal ruiniert, lebt sich's völlig ungeniert

Wer SPÖ und ÖVP nach diesem dreisten Budgetbetrug wieder seine Stimme gibt, der kann seine Lebensersparnisse genauso gut Bernie Madoff anvertrauen.

Wer noch psychisch (drohende Depression) und physisch (drohende Übelkeit) imstand ist, sich die innenpolitischen Geschehnisse dieser Tage im Detail zu Gemüte zu führen, der wird dafür wenigstens mit einer nur sehr selten so dramatisch zu beobachtenden Inszenierung belohnt: dem Versinken der politischen Klasse eines Landes in einem Sumpf von politischem Betrug, garniert mit persönlicher Raffgier und dreister Schamlosigkeit.

Fast könnte man meinen, SPÖ und ÖVP sowie das sie umgebende bisherige politische System Österreichs wären ihres politischen Lebens müde und hätten beschlossen, unter Mitnahme von möglichst vielen Wertgegenständen die Bühne zu verlassen. Nicht anders ist zu erklären, dass die bisherigen und wohl auch künftigen Koalitionspartner ihre Wähler in einem der größten politischen Betrugsmanöver der Zweiten Republik über den deplorablen Zustand der Staatsfinanzen dermaßen dreist getäuscht und in die Irre geführt haben. Mit dem einzigen erkennbaren Ziel, noch ein paar Jahre an den Futtertrögen bleiben zu dürfen.

Wie es Hütchenspielern um das Bare der Passanten geht, geht es den Regierenden um den Machterhalt – und um sonst nichts. „Gerechtigkeit“ und „Entfesselung der Wirtschaft“ entpuppen sich als billige Pappen, mit denen den schlichteren Gemütern der Blick auf den Budgetbetrug verstellt werden sollte.

Man muss den beiden Koalitionsparteien, auch wenn wir für diesen Betrug teuer werden bezahlen müssen, in gewisser Weise trotzdem dankbar sein. Denn nun weiß auch der allerletzte Dolm in diesem Land: Wer diesen Leuten noch einmal seine Stimme gibt, der kann genauso gut seine Limousine übers Wochenende vertrauensvoll der östlichen Automafia zur Aufbewahrung überlassen.

Ganz offensichtlich ist bei SPÖ wie ÖVP das Wissen um den nahenden Abgang in die relative Bedeutungslosigkeit bereits so ausgebildet, dass sie sich nicht einmal mehr die Mühe geben zu verbergen, dass es ihnen um nichts anderes mehr geht, als die Jobs, die Macht und die Einkommen möglichst vieler Parteisoldaten abzusichern, so gut es geht, bevor die Koalition endgültig Geschichte geworden ist und die Dritte Republik, wie auch immer sie aussehen wird, anbrechen wird.

Anders ist nicht nur der Budgetbetrug nicht zu erklären, sondern etwa auch der völlig schambefreite Versuch, den ORF wieder endgültig zu einem staatlichen Proporzsender zu machen, über den nur noch die beiden Regierungsparteien disponieren können. Anders ist auch nicht zu erklären, dass etwa die Landeshauptleute von ÖVP und SPÖ nun dreist noch mehr Kohle vom Bund verlangen; oder der neue Linzer Bürgermeister, dessen Vorgänger eine halbe Milliarde verzockt haben dürfte, nun als Erstes auf den Bau einer völlig unnötigen Medizin-Uni in seiner pleitebedrohten Stadt pocht.

Ganz offensichtlich befreit das Wissen um das bevorstehende Ende einer politischen Epoche die Protagonisten dieser Epoche von jeglichen allenfalls noch in Resten vorhandenen Schamgefühlen. Ist das Land erst mal ruiniert, lebt sich's völlig ungeniert.

Wer geglaubt hatte, Josef Caps jüngste Einlassung, sein 6000-Euro-Nebenjob im Renner-Institut sei ja „durchaus mit Arbeit verbunden“, stelle die höchstmögliche Verhöhnung arbeitender Menschen dar, wurde bald darauf eines Schlechteren belehrt. Da begründete der Ex-Notenbanker Adolf Wala seine absurde 32.000-Euro-Pension mit dem Hinweis, dass er ja auch „hohe Steuern bezahlt“. Das wird beim Bezieher einer österreichischen Durchschnittspension von 1200 Euro sicher extrem gut angekommen sein.

Österreich wird übrigens 2014 fast eine halbe Million Arbeitslose haben. Für diese Regierung sicher kein Problem: Wer vor Wahlen ein solches Budgetloch zum Verschwinden bringen kann, wird doch imstande sein, nach der Wahl auch eine halbe Million Arbeitslose, Simsalabim, zum Verschwinden zu bringen. Im Milieu der Hütchenspieler geht so was schon.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.