Der rote Raffzahn und seine Freude daran, die Wähler zu verhöhnen

Ärgerlicher noch als die jüngsten Fälle unguter Bereicherung im Umfeld der SPÖ ist nur die Unverschämtheit der bei ihrer Selbstbereicherung ertappten Genossen.

Der eine rote Raffzahn war einmal ein ganz großer in seiner Partei: Alfred Gusenbauer, bekannt geworden vor allem als einer der bedeutendsten Rotweinkonsumenten der 1990er-Jahre, nebenbei damals auch Bundeskanzler der Republik Österreich und Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei, bis ihn seine Genossen so absetzten wie demnächst seinen Nachfolger – schnell und eher unsolidarisch.

Heute findet er nichts dabei, sich für ein paar hunderttausend Euro pro Jahr als „Berater“ von Diktatoren zu verdingen, in denen Sozialdemokraten schon mal mit den Folterkellern des Regimes Bekanntschaft machen.

Der andere rote Raffzahn ist eine eher überschaubar bedeutende Figur in seiner Partei, ein Klein-Raffzahn sozusagen: Der Bau-Holz-Gewerkschafter Josef Muchitsch, Abgeordneter der SPÖ im Nationalrat, wo er mehr als 8000 Euro brutto im Monat verdient. Dass er eine der billigsten Wohnungen der Stadt (280Euro für 37 Quadratmeter in bester Lage) in einem Sozialbau einer SPÖ-nahen Gesellschaft mieten konnte, fand er so lange in Ordnung, bis seine Privilegien-Miete letzte Woche ruchbar wurde und er diese darob kündigte. Dass er dies erst dann als „Fehler“ erkannte, spricht nicht eben für eine überbordende Integrität.

Auch wenn die Entgleisungen des großen und des kleinen roten Raffzahns vordergründig nichts miteinander zu tun haben, so ist beiden Herren – und vielen anderen in diesem Milieu – eines gemeinsam: das völlige Unvermögen zu erkennen, dass nicht alles, was erlaubt und legal ist, deshalb in Ordnung sein muss. Und: dass ihre Reaktionen, sobald sie öffentlich als Raffzähne enttarnt wurden, noch viel frecher, unverschämter und wählerverachtender sind als der Sachverhalt an sich. „Ich gebe ja nicht tausend Euro im Monat für eine Wohnung aus“, verhöhnte Muchitsch den Bezieher eines durchschnittlichen 2500-Euro-Monatsgehalts, der nicht selten genau so viel an Miete berappen soll.

Nicht weniger unverschämt war Alfred Gusenbauers Einlassung, er werde vom kasachischen Despoten Nursultan Nasarbajew mit 400.000 pro Jahr für seine Bemühungen bezahlt, „die Menschenrechte und die Demokratie in Kasachstan“ voranzubringen. Na klar, dafür mietet sich ein brutaler Diktator mit größtem Vergnügen einen österreichischen Ex-Bundeskanzler. Für wie blöd hält Herr Gusenbauer uns eigentlich?

Derartige Unverschämtheit ist für den Raffzahn geradezu charakteristisch. Legendär ja auch die seinerzeitige Einlassung Josef Caps, der zusätzlich zu seinem Abgeordnetengehalt noch 6000 Euro vom Renner-Institut der SPÖ (also auch vom Steuerzahler) bezieht und dies damit begründet, das sei ja auch „durchaus mit Arbeit verbunden“. Was jedem Bezieher eines österreichischen Durchschnittsgehalts sicher ganz besonders das Herz erwärmt. Für 6000 im Monat auch noch etwas zu arbeiten, das ist im Raffzahn-Milieu ja wirklich eine Ausnahme, für die sich Cap mit Recht Lob und Anerkennung erwartet.

Zwar sind all diese kleinen und größeren Selbstbereicherungen für das Publikum zum Erbrechen widerlich, aber in keiner Weise gesetzwidrig. Keiner der Raffzähne hat sich juristisch etwas zu Schulden kommen lassen (zumindest so weit das heute bekannt ist). Sie können daher unbehelligt die Früchte ihres Raffens genießen, während der Zorn der Wähler weiter anschwillt.

Sollte die Sozialdemokratie noch irgendwie an ihrem Überleben interessiert sein, wäre sie gut beraten, wenigstens eine Konsequenz zu ziehen: nicht länger die moralische Lufthoheit in den Disziplinen „soziale Gerechtigkeit“ , „Gleichheit“ und „kleine Leute“ für sich zu beanspruchen. So wie Hans Niessl den Anspruch der SPÖ, Bollwerk des Antifaschismus zu sein, der Lächerlichkeit preisgegeben hat, pulverisieren die raffenden Genossen den Anspruch der SPÖ, die materiellen Ansprüche jener zu vertreten, die das auch wirklich notwendig hätten. Auch eine Form der Transparenz, immerhin.

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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2015)

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