Quergeschrieben

Warum der Neoliberalismus die Grundlage von Wohlstand ist

Kein Begriff wird so oft falsch, irreführend und ohne Faktenwissen verwendet
wie das böse N-Wort: Zeit für eine Ehrenrettung samt österlicher Auferstehung.

Heutzutage jemanden öffentlich zu bezichtigen, ein „Neoliberaler“ zu sein oder der „neoliberalen Ideologie“ zu frönen, ist die größte nur denkbare Keule in jeder politischen Diskussion. Mit diesem Argument kann man jeden erschlagen, nur „Nazi“ wirkt vielleicht noch um eine Nuance besser.
In den Verdacht, ein „Neoliberaler“ zu sein, kommt man als Politiker oder Journalist hierzulande allerdings ungemein leicht, wenn man nicht zumindest täglich die Einführung der 20-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich, einen Grenzsteuersatz von 110 Prozent für „Reiche“ sowie die Verstaatlichung aller Betriebe mit mehr als keinem Mitarbeiter fordert – und zwar aus Gründen der „sozialen Gerechtigkeit“ und weil sich doch „die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet“.
Als „neoliberal“ und damit mehr als bedenklich gelten so subversive und abwegige Meinungen wie die, dass man nur ausgeben kann, was man verdient hat; dass Geld nicht umso mehr wert wird, je mehr man davon druckt oder dass unternehmerische Tätigkeiten nicht immer krimineller Natur sein müssen.
Kein Wunder, dass hierzulande sogar der SPÖ-Chef, Christian Kern, von parteiinternen Kritikern des „Neoliberalismus“ geziehen worden ist, weil er früher für die Verbund-Gesellschaft gearbeitet hat, an der der Staat bloß mit 81 Prozent beteiligt ist. Oder die neue Regierung (im „Standard“) einer „neoliberalen Wende“ bezichtigt wurde – eine Regierung, die als Erstes die Familienförderung kräftig erhöht hat, offenbar eine besonders perfide Spielart des „Neoliberalismus“.
So gebräuchlich der „Neoliberalismus“ als Turbo-Kärcher unter den politischen Argumenten ist, so sehr beweisen jene, die so argumentieren, nichts anderes als ihre eigene völlige Unbildung.
Nun hat natürlich jeder ein Recht auf eigene Argumente, nicht aber auf eigene Fakten. Und Faktum ist, dass der Begriff „Neoliberalismus“ genau das nicht bedeutet, was jene glauben, die ihn als großkalibrige Invektive verwenden. Nachdem wirtschaftspolitisches Wissen in Österreich nicht eben zu den Kernkompetenzen des Landes gehört, greifen wir auf der Suche nach einer präzisen, aber leicht fasslichen Definition des Begriffs „neoliberal“ zur politisch eher unverdächtigen Hamburger „Zeit“, die ihren Lesern den Begriff so erläutert hat:
„Bedeutende Denker und Politiker erfanden vor rund 70 Jahren einen neuen Liberalismus, eben den Neoliberalismus. Die Bürger sollten weiter frei sein, sich zu entwickeln und nach Wohlstand zu streben. Aber der Staat sollte dafür sorgen, dass es fair zugeht. Er sollte streng kontrollieren, dass nicht ein paar Unternehmen zu mächtig werden und junge Firmen mit tollen Ideen einfach zerstören. Der Wettbewerb zwischen den Ideen sollte sich entwickeln, und die beste sollte gewinnen. Ebenso sollte der Staat ein stabiles Netz aufspannen für arbeitslose oder kranke Menschen, die ins Leere zu fallen drohen. Herauskommen sollte ein Land, in dem der Arme nicht arm bleiben muss, wenn er sich bemüht, und der Reiche nicht reicher wird, wenn er gar nichts leistet.“

Als wäre das nicht schon menschenverachtend genug, schrieb die „Zeit“ weiter: „Diese Idee vom Neoliberalismus wurde zur Grundlage für das, was die Deutschen ihre ,soziale Marktwirtschaft‘ nennen. Auf dem Markt sollen freie Bürger um die besten Jobs und freie Unternehmer um die besten Ideen ringen. Aber es muss dabei ,sozial‘ zugehen.“ Genauso ist es. „Wer heute diesen Begriff hingegen synonym für wirtschaftliche Anarchie, das Faustrecht des Stärkeren und Säuglingsarbeit am Fließband verwendet, demonstriert damit nur, dass er (oder sie) nicht einmal mit den einfachsten Grundbegriffen der ökonomischen Theorie vertraut ist.“
Das muss man auch nicht unbedingt sein – nicht einmal als Politiker. Es empfiehlt sich in diesem Falle freilich, manchmal einfach zu schweigen, anstatt seine bescheidene intellektuelle Ausstattung auch noch öffentlich zu machen.

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