Was ist Souveränität? Wer hat sie? Wer braucht sie noch?

Macron, Draghi und Kramp-Karrenbauer haben unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft der EU. Sie beruhen auf konträren Auffassungen von Souveränität.

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EZB-Präsident Mario Draghi äußert sich selten zu Fragen außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches. Umso mehr Aufmerksamkeit verdient die Rede, die er am 22. Februar an der Universität Bologna hielt. Unter dem Titel „Souveränität in einer globalisierten Welt“ argumentierte er gegen die Auffassung, die EU erhalte ihre Souveränität von den Nationalstaaten. Ihr liege, sagte Draghi, eine Verwechslung zwischen „Unabhängigkeit“ und „Souveränität“ zugrunde. „Echte Souveränität“ bestehe nämlich darin, das zu tun, was im Interesse der Bürger getan werden müsse. Aus Draghis Sicht brauchen die supranationalen Institutionen gar keinen Souverän. Ihre Souveränität gehe aus ihrem Wirken hervor.

Kaiser Joseph II. drückte sich bündiger aus. Er stellte seine bürokratisch-zentralistischen Reformen unter das Motto „Alles für das Volk; nichts durch das Volk“. Wie einst der aufgeklärte Monarch beansprucht Mario Draghi für die supranationalen Institutionen das Recht, durchzuregieren, ohne sich dem mühsamen Prozess des Interessenausgleichs aussetzen zu müssen. Dem Kaiser widersetzten sich die Stände, den Technokraten in der EU stehen gelegentlich die in den Nationalstaaten demokratisch gewählten Politiker im Wege.

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