Politik und Moral am Beispiel Liechtensteins im Mai 1945

Die politische Krise in Österreich enthüllt einen erschreckenden Mangel an Anstand, Fairness und Klugheit. Von Liechtenstein könnten wir da einiges lernen.

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Vorige Woche war an dieser Stelle von einem absoluten Tiefpunkt der politischen Moral die Rede gewesen, von der Auslieferung von Millionen Flüchtlingen und Kriegsgefangenen durch die Alliierten an die Mordmaschinerien Stalins und Titos im Frühjahr 1945. Mehrere europäische Länder, auch das neutrale, sozialdemokratisch regierte Schweden, beteiligten sich an diesem Verbrechen. Doch das Fürstentum Liechtenstein widersetzte sich und erteilte der Welt eine Lektion in politischer Moral.

Auf der Flucht vor der Roten Armee hatten sich 500 Russen, unter ihnen 30 Frauen und zwei Kinder, von Polen bis Vorarlberg durchgeschlagen. Sie hatten in der Ersten Russischen Armee für die deutsche Wehrmacht gekämpft. In Liechtenstein ließen sie sich widerstandslos von der Polizei entwaffnen und in ein Internierungslager bringen. Fürst Franz Josef II. gewährte ihnen Asyl. Unter den Russen sprach sich rasch herum, welches Schicksal ihnen im Falle einer Auslieferung drohte. Die Angst, am Ende auch in Liechtenstein nicht sicher zu sein, vielleicht auch Heimweh, verleitete zweihundert von ihnen, sich gegenüber einer nach Vaduz entsandten sowjetischen Repatriierungskommission zur freiwilligen Rückkehr zu verpflichten. Die übrigen blieben, bis sich Argentinien bereitfand, sie aufzunehmen, und sie im Herbst 1947 die Reise nach Buenos Aires antreten konnten.

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