Das starke Gefühl des Unwohlseins, wenn die FPÖ irgendwo mitregiert

Bisherige Erfahrungen mit freiheitlichen Repräsentanten in Regierungen weisen vor allem auf Inkompetenz und Korruptionsanfälligkeit von FPÖ-Politikern hin.

Wird die FPÖ hoffähig? Allein diese Frage und vor allem der Begriff „hoffähig“ sprechen Bände. Der „Duden“ schreibt dazu: „Vornehm genug, um bei Hofe zu erscheinen; salon- gesellschaftsfähig.“ Soll das heißen, in Österreich geschehe ein Tabubruch, und die FPÖ werde von der SPÖ erneut in den Hof der Politik hineingelassen? Und heißt das zweitens, dass sich in der FPÖ der gesamte Fremdenhass, Antisemitismus und Österreichs Nichtabgrenzung zum Nationalsozialismus angesammelt hätte?

Um sich ein solches Bild zu zeichnen, bedarf es zweier relativ primitiver psychischer Prozesse. Erstens des Prozesses der Spaltung: Wir sind die Anständigen, befreit von den Gefühlen des Hasses und voller guter und hehrer Empfindungen; dort sind die Bösen, die Mächte der Dunkelheit, die es zu bekämpfen und zu besiegen gilt. Zweitens geht es um blanken politischen Opportunismus. Die Römer sagten dazu gepflegt: „Quod licet Iovi, non licet bovi“ (Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt). Umgesetzt auf die österreichische Realität heißt das: Ich darf mit den Schmuddelkindern spielen, du aber nicht.

Die Nachkriegsgeschichte Österreichs ist von beiden genannten Dynamiken durchgehend geprägt. Die große Mehrheit der ehemaligen Nationalsozialisten wurde nach 1945 blitzschnell in die ÖVP und SPÖ integriert, nur ein kleiner Rest versammelte sich im VdU (Verband der Unabhängigen), aus dem später die FPÖ hervorging. Bereits im Nationalratswahlkampf 1949 buhlten beide Großparteien heftig um die Stimmen der (ehemaligen) Nazis. Noch im Wahlkampf 1970 warb die ÖVP für ihren Spitzenkandidaten mit dem Slogan „Ein echter Österreicher“ – ganz offensichtlich in Abgrenzung zum Juden Bruno Kreisky von der SPÖ. Dieser reagierte darauf – trotz oder gerade wegen seiner jüdischen Herkunft – mit der Hereinnahme von vier ehemaligen Mitgliedern der NSDAP in seine erste Regierung und der Einstellung aller noch laufender Verfahren gegen Nazis.

Es gibt tatsächlich Sozialdemokraten, die vergessen haben, dass es die SPÖ war, die zum ersten Mal in der II.Republik eine gemeinsame Regierung mit der FPÖ gebildet hat, die 1983 einen Harald Ofner zum Justizminister zugelassen hat, der ein Naheverhältnis zu Neonazis hatte. Friedrich Peter sollte Dritter Nationalratspräsident werden – Peter, der als Obersturmführer in der 1.SS-Infanteriebrigade gedient hat, die im II. Weltkrieg hinter der Front systematisch Abertausende Juden von Angesicht zu Angesicht exekutiert hat.

Wut und Empörung über Österreichs mangelhafte Abgrenzung gegenüber der FPÖ explodierten dann erst nach der Bildung der schwarz-blauen Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Zumindest aber beschloss diese Regierung Restitutions- und Entschädigungsgesetze, zu denen sich alle vorangegangenen Regierungen der Zweiten Republik nicht hatten durchringen können.

Es kann nicht oft genug daran erinnert werden: Die Hauptschuld am Erstarken der FPÖ tragen SPÖ und ÖVP selbst. Es ist die frustrierende Lähmung in der Politik, es sind die Lügen und falschen Versprechungen, der Verrat an ehrlichen und anständigen politischen Inhalten, der die Menschen in die Fänge der populistischen FPÖ treibt.

Auch wenn sich unter den Freiheitlichen auffallend mehr Politiker befinden, die sich mit einer Abgrenzung zum nationalsozialistischen Gedankengut schwertun – in dieser Beziehung können SPÖ und ÖVP ihre eigene üble Vergangenheit nicht so leicht vergessen machen – auch wenn deren Bilanz sich zugegebenermaßen in den vergangenen 25 Jahren stark verbessert hat.

Dennoch bleibt ein starkes Gefühl des Unwohlseins angesichts der Machtbeteiligung der FPÖ. Deren Politiker haben sich bisher in einem eklatanten und sogar die ÖVP und SPÖ übertreffenden Ausmaß durch Inkompetenz und durch Korruption hervorgetan. Das ist letztlich das Einzige, wovor man bei einer Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Angst haben muss.

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Zum Autor:

Mag. Martin Engelberg ist Psychoanalytiker, geschäftsführender Gesellschafter der Vienna Consulting Group, Lehrbeauftragter an der Wirtschaftsuniversität Wien und Herausgeber des jüdischen Magazins „NU“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2015)

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