„. . . und wenn's köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen“

6. und letzter Teil: Angelpunkt dafür, im Dasein Halt zu finden, das kann Arbeit zu jeder Lebenszeit des Menschen sein. Darin liegt ihr Wert für den Einzelnen.

Vor einigen Monaten schrieb Gisela Dachs in der „Zeit“ unter dem Titel „Keiner lebt so lang wie Männer in Israel“, dass bemerkenswerterweise in dem permanent einer terroristischen Bedrohung ausgesetzten Israel die Lebenserwartung der Bevölkerung im weltweiten Vergleich überdurchschnittlich hoch ist, die der Männer sogar die Weltspitze bildet. Warum dies der Fall ist, so Gisela Dachs, könne niemand wirklich schlüssig erklären.

Eine der unbestreitbaren Ursachen dafür ist jedenfalls die Tatsache, dass in Israel ein nur scheinbar fröhliches Pensionistendasein wie hier bei uns nicht die Regel ist. Seit rund einem Jahrzehnt ist der Anteil der berufstätigen 55- bis 64-jährigen Israelis laut OECD von 48 auf 61 Prozent angestiegen. Israelische Männer werden mit 67 Jahren pensioniert, wobei es Diskussionen darüber gibt, das Antrittsalter auf 69 Jahre zu erhöhen. Dabei geben diese Zahlen die Realität nur vage wieder, denn viele wollen auch im hohen Alter nicht auf Arbeit verzichten, gewiss auch aus finanziellen Gründen.

Aber es hat auch einen kulturellen Hintergrund, der sich durchaus als lebensverlängernd erweisen könnte: Die Arbeit ist für viele Menschen der Angelpunkt, in ihrem Dasein Halt zu finden. Eben im Bewusstsein, für die Erfüllung der Bedürfnisse von anderen zu sorgen.
Es ist an dieser Stelle schon geschrieben worden, dass allein aus demografischen Gründen der viel zu frühe Antritt in den Ruhestand in Österreich eine Verrücktheit sondergleichen ist. Dass in Deutschland ein Rentenantritt mit 63 für langjährige Beitragszahler beschlossen wurde, kann bei vernünftigen Menschen nur Kopfschütteln hervorrufen.

Doch abgesehen von der Tatsache, dass die jungen Leute nicht mehr die Rentenzahlungen für die künftigen und dank medizinischer Fortschritte großteils rüstigen, wenn nicht sogar sportlich fitten Pensionisten schultern werden, ist das eisige Wegschieben von Menschen, die noch Jahrzehnte ihres Lebens vor sich haben, in den „wohlverdienten Ruhestand“ eine soziale Untat. Selbstverständlich kann man von einem Dachdecker nicht verlangen, dass er mit 70 Jahren noch so auf Firsten klettert wie in seiner Jugend. Doch auch für ihn muss es ein Arbeitsfeld geben, auf dem er für die Gesellschaft Nützliches leistet und mit Recht darauf stolz ist.

Es wäre einer der größten Fehler des Staates, würde er nicht mit aller erdenklichen Verve Hebel in Bewegung setzen, sodass die Nachfrage nach solchen Arbeitsfeldern unübersehbar wird. Es ist anstrengender und benötigt mehr Fantasie und Kreativität als das Festlegen eines Pensionseintrittsalters, aber jenes ist der richtige und dieses der falsche Weg.

Rainer Münz hatte kürzlich in der „Presse“ dargelegt, dass sich alte Menschen dazu bereitfinden sollen, ehrenamtlichen Arbeiten nachzugehen. Das ist vielleicht nur die zweitbeste Lösung. Besser ist es sicher, wenn die Arbeit der Alten genauso durch eine angemessene Bezahlung gewürdigt wird wie die der Jungen.

Es gibt nur einen Adel: den der Arbeit“, war das Wort, mit dem diese Artikelserie begann. Ich wusste es nicht, aber Rudolf Burger hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass dieses Wort von einem schwülstig verkündet wurde, der selbst arbeitsscheu wie kaum ein anderer war: Adolf Hitler.
In Wahrheit hat Hitler dieses Wort gestohlen: von Alfred Krupp. Wenn das Wort bedeuten soll, man möge in der Arbeit – für Hitler: an der „Volksgemeinschaft“ – aufgehen, wäre dies eine Apotheose der Arbeit, eine Vernichtung der Individualität, eine Abkehr von der Aufklärung.

Aber ein Angelpunkt dafür, im Dasein Halt zu finden, das kann Arbeit zu jeder Lebenszeit des Menschen sein. Darin liegt ihr Wert für den Einzelnen. So kann Arbeit dazu führen, was der Autor des Generalthemas in die folgenden Worte fasste: „So wollen wir rühmen und fröhlich sein unser Leben lang.“

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor: Rudolf Taschner ist Mathematiker und Betreiber des math.space im quartier 21, Museumsquartier Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2014)

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