Pensionsantritt: Es bedarf noch viel drastischerer Maßnahmen

Die Köpfe der Repräsentanten der Sozialpartnerschaft haben geraucht. Doch bei der Sicherung der Pensionen wäre es fatal, „auf halben Wegen, zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben“.

Wenigstens am Tag danach gab es Kaiserwetter. Kaiserwetter ist angesagt, wenn man sich in Bad Ischl trifft, seien es auch die republikanisch gesinnten Repräsentanten der Sozialpartnerschaft, die am Montag beim Dialog von Gewerkschaft und Kammern berieten, wie das faktische Pensionsantrittsalter erhöht werden könne. Dass sich Sozialminister Hundstorfer, Wirtschaftskammer-Präsident Leitl und ihre Kolleginnen und Kollegen darüber ernsthaft Gedanken machen, ist löblich. Und einige Vorschläge und sinnvolle Ansätze sind, Karl Ettinger hat es in seinem Kommentar betont, formuliert worden. Doch selbst wenn uns die Zukunft ein hohes Wirtschaftswachstum bescheren sollte, werden diese Maßnahmen allein nicht genügen.

Gerade weil niemand ernsthaft mit dem hohen Wirtschaftswachstum rechnet, sind die Pläne der Interessenvertreter bestenfalls Anstoß für wirklich einschneidende Entscheidungen der politisch Verantwortlichen.

Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar. Angesichts der demoskopischen Entwicklung lautet sie schlicht: Die stabile Finanzierung der Pensionen wird nur dann gelingen, wenn das Antrittsalter deutlich angehoben wird. Deutlich bedeutet: auf 70 Jahre. Für diese Maßnahme sprechen ein historisches, ein medizinisches und ein technologisches Argument:

Erstens ist früher das Pensionsantrittsalter so festgelegt worden, dass der damaligen Lebenserwartung der Bevölkerung entsprechend ein Genuss von fünf bis zehn Jahren Pension im Mittel zu erwarten war. Die Lebenserwartung ist seither – für jede und jeden Einzelnen erfreulicherweise – so sehr gestiegen, und sogar noch weiter im Steigen, dass man mit einigen Jahrzehnten Pensionsgenuss wird rechnen können – wenn das Antrittsalter der Pensionierung bestehen bleibt. Dies ist auf lange Sicht nicht zu finanzieren.

Zweitens war man früher bei Pensionsantritt tatsächlich ein alter Mensch. Heute ist dies beim derzeitigen Antrittsalter im Allgemeinen – und wieder: erfreulicherweise – nicht der Fall. Heute darf man sich mit 60 Jahren so jung fühlen wie damals ein 45-Jähriger. Das ist keine Einbildung, sondern Tatsache: Der Alterungsprozess des Menschen hat sich in den letzten Jahrzehnten verlangsamt.

Drittens war der Arbeitsprozess vor Jahrzehnten oft beschwerlich und bei vielen manuellen Tätigkeiten mit Schädigung der Gesundheit verbunden. Der immense Fortschritt der Technik brachte den Segen, dass sich zwar nicht alle, aber doch viele Arbeitsbedingungen erheblich verbessert haben. Überdies wurde dies von den sozialen Errungenschaften des Arbeitsrechtes abgesichert.

Gegen die Maßnahme spricht, dass bei einer Verlängerung der Erwerbstätigkeit jungen Menschen der Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert würde, weil dieser von den alten und noch arbeitenden Erwerbstätigen überfüllt ist. Um dieser Bedrohung ausweichen zu können, ist ein gehöriges Maß an politischer Energie und ökonomischer Initiative vonnöten.

War Bad Ischl als Ort gut gewählt? Franz Joseph, der Ischl liebte und auf den das Wort „auf halben Wegen und zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben“ so wunderbar zuzutreffen scheint, fehlten zukunftsweisende Energien und Initiativen. Ihn sollte man als Vorbild meiden – mit einer Ausnahme: An den Rückzug in die Pension hat er nie im Traum gedacht.


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Zum Autor:

Rudolf Taschner ist Mathematiker und Betreiber des math.space im quartier 21, Museumsquartier Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2011)

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