Es steht dafür, trotzdem

Die neuen Väter haben sich eine Chance verdient.

Vergangene Woche erschien auf diesen Seiten („Die Presse“, 20. August) ein Gastkommentar, der den eitlen, egozentrischen Selbstdarstellern unter den „neuen Vätern“ gewidmet war. Die Autorin hat darin ein Problem öffentlich gemacht, das Menschen selten öffentlich machen, gerade in gebildeten, angeblich fortschrittlichen Milieus: dass die Sache mit der gleichberechtigten Elternschaft noch lange nicht geritzt ist. Es braucht scharfe Augen, um die kleinen Selbst- und Fremdtäuschungen zu bemerken, und Mut, um zuzugeben, dass sie einem bisweilen auch selbst passieren. Danke dafür.

Die Autorin ist mit ihren Beobachtungen nämlich beileibe nicht allein. Maria Sveland, eine 35-jährige schwedische Radiojournalistin, hat in ihrem Leben ganz ähnliche gemacht und sie aufgeschrieben. Derart viele Frauen erkannten sich darin wieder, dass ihr Buch ein europäischer Megaseller wurde. Es trägt den bösen Titel „Bitterfotze“, was wohl heißen soll: Immer lässig, immer lieb, das geht nicht. Wir brauchen Ehrlichkeit, wenn wir vom Fleck kommen wollen, auf unserer Abenteuerreise Elternschaft.

Sveland ist in Schweden den gleichen Figuren begegnet wie wir hier: dem Chef, der mit schwellender Brust verkündet, er müsse heute früher heim, sein Kind schlafen legen, und in die Runde blickt, als erwarte er jetzt tosenden Applaus. (Mitunter ist das derselbe, der genervt die Augen verdreht, wenn eine Mitarbeiterin, schon zum zweiten Mal in diesem Monat, Pflegeurlaub braucht.) Dem Jungvater, der das unterstützende Begleitservice durch Partnerin, Omas und Babysitter für einen selbstverständlichen Bestandteil einer Karenz hält und nach zwei Wochen keck meint, das sei doch eh alles locker, er wisse gar nicht, worüber sich Frauen eigentlich aufregen. Oder jenem, der nach zwei Stunden Spielplatz mindestens dreistündige Gegenleistungen erwartet, Dankbarkeit und Lob.

An dieser Stelle liegt der entscheidende Denkfehler versteckt: Lob wofür eigentlich? Dafür, dass er sich um sein eigenes Kind kümmert? Dass ihm die Last des Alleinverdieners von der Schulter genommen wurde? Dass ihm die Chance und die Zeit geschenkt wird, Beziehungen aufzubauen, die wahrscheinlich die wichtigsten, intensivsten und aufregendsten seines Lebens sein werden?

Nein, ein Vater, der seine Vaterschaft ernst nimmt, tut nicht in erster Linie seiner Frau einen Gefallen. Er tut seinem Kind einen Gefallen, seiner Familie, der Gesellschaft, sich selbst.

Daran müssen wir ihn und uns immer wieder erinnern. Manchmal werden wir lachen dabei, manchmal steigt ein bisschen Bitterkeit auf, und es wird vorkommen, dass man uns „Jammerfeministin“ oder „keifende Zicke“ nennt. Es ist wurscht. Denn das Ziel, um das es geht, die gleichberechtigte Elternschaft, ist so wichtig und so großartig, dass es dafür steht. Liebe neue Mütter, liebe neue Väter also: Der Weg stimmt. Wachsam bleiben. Weitergehen.


meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2009)

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