Trojanisches Pferd Gender: Welches Geschlecht soll's denn sein?

Beim Gender-Mainstreaming geht es nicht bloß um Sprache und Gleichstellung. Das eigentliche Ziel ist die Abschaffung des biologischen Geschlechts überhaupt.

Der Vorschlag des Normungsinstitutes, das Binnen-I abzuschaffen, hat die Debatte über gegenderte Sprache neu entzündet. Ich widerspreche jenen, die meinen, diese Debatte sei überflüssig, und wir hätten andere Sorgen. Der Widerspruch erfolgt aus zwei Gründen. Erstens ist die Sprache unser wichtigstes Kommunikationsmittel, von ihr hängt wesentlich unser Zusammenleben ab. Durch Sprache werden nicht nur Informationen, sondern etwa auch Gefühle und Werthaltungen ausgedrückt. In diesem Fall wurde per politischer Verordnung Sprache verändert, damit wir etwas Bestimmtes denken.

Sprache als Machtinstrument – um was zu erreichen? Damit bin ich beim zweiten Grund meines Widerspruchs: In der offiziellen politischen Definition des Gender-Mainstreamings geht es um die Gleichstellung von Frauen und Männern und eine geschlechtsbezogene Sichtweise, um Diskriminierung zu beseitigen. So ist es im EU-Recht verankert, das auch für Österreich verbindlich ist. Diesem Gedanken kann man viel Positives abgewinnen: Chancengleichheit im Beruf, Rücksichtnahme auf unterschiedliche Bedürfnisse von Mann und Frau, etwa in der Gender-Medizin. Dagegen hat niemand etwas einzuwenden.

Doch diese Interpretation ist fahrlässig naiv. Die Ideologie des Gender-Mainstreamings meint keineswegs Geschlechtergerechtigkeit oder gar den geschlechtsspezifischen Zugang, sondern es geht um die Auflösung des Geschlechts überhaupt! Dahinter steht die Idee, dass es kein festgelegtes Geschlecht gibt, sondern dass dieses beliebig und damit austauschbar und wählbar ist. Geschlecht findet nur noch im Kopf statt, es hat keine natürliche Grundlage, ist rein „sozial hergestellt“. Daher gibt es eine Vielzahl von „sozialen Geschlechtern“, die das biologische ersetzen. Ziel ist es, „Spielräume für vielfältige geschlechtliche Existenz- und Lebensweisen zu schaffen“. Entlarvend für die eigentlichen Absichten ist zum Beispiel das „Gender-Manifest“ auf der Website www.gender.de/manifest, auf das etwa auch das offizielle österreichische Schulportal verweist!

Was sehr abstrakt klingt, beginnt sich in der Praxis bereits durchzusetzen: So etwa wurde in Deutschland im November des Vorjahres ein Gesetz beschlossen, wonach im Geburtenregister kein Geschlecht des Kindes mehr eingetragen werden muss. In Italien wird es in der Bürokratie zunehmend üblich, dass in Formularen nicht mehr nach Vater und Mutter gefragt wird, sondern nach „Elternteil 1“ und „Elternteil 2“. In Schweden beschäftigen viele Vorschulen sogenannte Gender-Pädagogen, denn die Geschlechterrollen aufzubrechen ist ein wichtiger Punkt im Lehrplan. Seit drei Jahren gibt es dort eine Vorschule namens Egalia, die sich ganz dem Thema „Gender“ verschrieben hat. Bezeichnungen wie „er“ und „sie“ werden vermieden, dafür wird das Kunstwort „hen“ eingesetzt. Ebenso sollen Rollenklischees, wie etwa die klassische Familie, aufgelöst werden. In fast allen Büchern kommen homosexuelle Paare, Alleinerziehende oder Adoptivkinder vor. Märchenbücher gibt es wegen der klassischen Geschlechterrollen nicht. Wenn Sie in Österreich die Regale mit Kinderbüchern durchsehen, geht auch hier der Trend in diese Richtung. Und Gender Mainstreaming ist auch hierzulande ein Unterrichtsziel (siehe oben).

So tragisch die Einzelfälle sind, in denen Menschen im Unsicheren über ihr biologisches Geschlecht sind, so kann es nicht sein, dass dies zur gesellschaftlichen Norm erklärt wird. Die Frage, was die Abschaffung des biologischen Geschlechts gerade in der heiklen Entwicklungsphase von Kindern und Jugendlichen bewirkt, können uns sicher Psychologen genau erklären. Doch die wurden nicht gefragt. Die Debatte, ob wir diese mit Steuergeld hoch subventionierte Ideologie als gesellschaftliches und Bildungsziel anstreben sollen, ist noch mit Denkverbot belegt. Es ist aber höchste Zeit, sie zu führen!

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Dr. Gudula
Walterskirchen ist Historikerin und
Publizistin. Sie war bis 2005 Redakteurin der „Presse“, ist seither freie Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher mit historischem Schwerpunkt.

www.walterskirchen.cc

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2014)

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