Der Baron der Sonntags-Krone

Ein erfahrener Politiker müsste wissen, wie gefährlich jene "Interviews" sind, die nur scheinbar wie eine kritische Befragung aussehen, tatsächlich jedoch als Gefälligkeit gedacht sind.

Wenn die Fragen nicht überraschen und die Antworten beliebig oft umgeschrieben werden können, tritt das unverblümt zu Tage, was diesem Politiker wirklich wichtig ist.

Erwin Pröll möchte Bundespräsident werden, der Landeshauptmann einer Partei, die sich bürgerlich nennt. Er hat vor vielen Jahren stolz behauptet, das einzige Buch, das er jemals gelesen habe, sei Karl Mays „Schatz im Silbersee“. Jetzt, da ihm Niederösterreich offensichtlich langweilig geworden ist, hat ihn die Gunst von Onkel Hans ereilt. Dieser wünscht sich Erwin Pröll als Bundespräsidenten. Und wer die Gunst von Wir-und-niemand-sonst-ist-Kaiser sein Eigen nennt, wird der Baron der „Sonntags-Krone“, Ernennungsurkunde in Form eines „Adorationsinterviews“.

Daher wissen wir, was Erwin Pröll von sich wirklich preisgeben will. Auf die Frage, wie belesen ein Politiker eigentlich sein müsse, antwortet er wörtlich: „Der eine liest halt, und der andere hat's vom Herrgott mitbekommen.“ Das sitzt!

Ernst Strasser, einer von Landbaron Prölls Knappen, spricht deutlich aus, was das Kalkül hinter solchen Aussagen ist: „Das mögen die Leut; damit wirkt der Landeshauptmann wenigstens net so obergscheit.“ Merkwürdig, denn gäbe es so etwas wie den inneren Kern, das Wesen des Bürgerlichen, dann ist es die Buch- und Druckkultur, die Fähigkeit und vor allem der Wille zur Verschriftlichung. Das Buch war die bürgerliche Revolutionswaffe gegen den Adel, es ist der genetische Code des Bürgerlichen.

Wir nehmen zur Kenntnis: Die ÖVP denkt ernsthaft darüber nach, einen bürgerliche Grundtugenden verachtenden, evident antibürgerlichen Feudalherrn in das Amt des Bundespräsidenten hieven zu lassen. Indes seine Mitbewerber, Heinz Fischer und (möglicherweise) Alexander Van der Bellen, ein geradezu erotisches Verhältnis zum Buch und damit zu einer ausgeprägten Form von Bildungsbürgerlichkeit pflegen.

Die postmoderne Unübersichtlichkeit schreibt ein neues Kapitel.

www.chorherr.twoday.net

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2009)

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