Ich bin eine Gebetsmühle

Eine Platte mit Sprung. Ein Ansagetext in Endlosschleife. Über die Mühsal, alles drei, vier, fünf, sechsmal sagen zu müssen.

Kind, du musst noch Klavier üben“. „Wann spielst du endlich Klavier, mein Kind?“ „Bitte, Kind, setz dich ans Klavier und spiel!“ Wenn ich mit meinen Töchtern spreche, klingt das ein wenig so, als müsste ich eine HÜ von Marlene lösen, vierte Klasse Volksschule, erstes Semester, Grammatik: Bilde aus folgenden Begriffen eine Aussage, eine Aufforderung und eine Frage: Klavier, Kind, spielen. Ächz.

Dabei ist, wenn man das recht besieht, die von mir formulierte Frage gar keine Frage, sondern eine Aufforderung, wie ja Sätze oft etwas anderes meinen, als sie vorgeben: „Wie sieht es denn hier aus?“ (Räumt auf!). „Warum liegen die Socken im Bett? (Räumt gefälligst auf!!) „Sagt einmal, stört euch dieses Chaos nicht selber?“ (Räumt verflixt noch einmal endlich auf!!!). Oder aber: „Ist ja klar, dass ihr nix findet, also ich helfe euch nicht mehr suchen.“ (Countdown bis zu Mamas Explosion 10, 9, 8, 7...). „Ihr könnt in Zukunft euer Zimmer selber putzen.“ (6, 5, 4, 3...). „Ich stecke alles, was am Boden herumliegt, in einen Sack, binde ihn zu und mache ihn erst Ostern wieder auf.“ (Totenkopf, Totenkopf, Bombe).


Halb volle Joghurtbecher. Und dann fluche und schimpfe ich los: dass der halb volle Joghurtbecher auf dem Schreibtisch ja schon zu schimmeln beginnt. Dass ich mir einen Spitzer eingetreten habe, als ich nach einem Radiergummi gesucht habe (jaja, ich weiß, ich habe einen Absatz weiter oben gedroht, ich würde den Kindern nicht suchen helfen. Aber wer hält schon seine Drohungen, wenn er weiß, dass das Kind heute Mathematik-Schularbeit hat und dafür einen Radiergummi braucht!). Dass ich wütend bin (Hannah schaut betreten drein). Dass ich nix kochen werde (jetzt ist Marlene alarmiert). Und dann wiederhole ich noch einmal alles, was ich schon einmal gesagt habe, nur mit ganz tiefer Stimme, die mich klingen lässt wie Darth Vader. Wer wie Mickey Mouse spricht, hat bei Kindern nämlich keine Chance.

Na also, liebe Kinder. Warum nicht gleich.


Postskriptum: Meine Kolumne über die Zeichen, an denen man erkennen kann, dass die Emanzipation ausgebrochen ist (Männer können für ihre Kinder die Koffer packen, es gibt gleich viele unfähige Chefs wie Chefinnen...) ist natürlich unvollständig geraten. Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass man drei wichtige Punkte ergänzen sollte: Punkt 11: Frauen und Männer gehen im gleichen Alter in Pension. Punkt 12: Es steht kein Mann mehr im Verdacht, dass er allein deshalb besser dran ist, weil er männlichen Geschlechts ist. Punkt 13: Es gibt keine Zeitschriften-Cover mehr, die den „schwachen Mann“ bedauern und sich um seine Zukunft sorgen.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2013)

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