Mein Negativrekord waren Begonien

Symbolbild Frühling
Symbolbild Frühling(c) APA/Soeren Stache
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Sie überlebten einen Tag. Sie waren ein Geschenk zu meinem 15. Geburtstag, ich stellte sie ans Fenster und ließ sie von der Sonne versengen.

Jeden Morgen führt mich mein erster Weg ans Fenster. Dort steht nämlich mein Rosenstöckchen. Ich habe es letzten Sommer gekauft, mitgenommen aus dem Supermarkt, ein Sonderangebot, auf dem Topf klebte ein grellrotes Pickerl mit dem Preis: 1,99 Euro. Ich habe trotzdem gezögert, meine Erfahrungen mit Blumenstöcken generell und mit Röschen im Besonderen sind nicht die besten: Normalerweise gehen sie ein. Sie verfaulen, weil ich sie zu viel gegossen habe. Sie verdorren. Sie werden von Blattläusen befallen, was mich so ekelt, dass ich sie in den Mist werfe. Mein Negativrekord waren Begonien, sie überlebten nur einen Tag. Ich hatte sie mir zum 15. Geburtstag gewünscht, stellte sie ans Fenster und ließ sie von der Sonne versengen. Ich war sehr traurig damals, fast so traurig wie ein kleines Kind, das dabei zusehen muss, wie sein Eis auf dem Gehsteig zerrinnt. Gelernt habe ich daraus freilich nichts.


Im Winter

Aber 1,99 Euro – da kann man nicht viel falsch machen, habe ich mir gedacht, im schlimmsten Fall freue ich mich daran ein paar Wochen, damit ist, nüchtern betrachtet, das Preis-Leistungs-Verhältnis immerhin noch besser als bei Schnittblumen, und siehe da, das Stöckchen hielt sich wacker den ganzen Sommer über, im November schenkte es mir noch eine letzte, einsame, besonders prächtig blühende Rose. Dann war Schluss.

In der Folge sah ich dabei zu, wie es langsam einging, mein Sonderangebot, Blatt um Blatt wurde gelb und segelte aufs Fensterbrett, ich googelte „Minirosen“ und „Pflege“, „Rosenstock“ und „Winter“, bekam so viele verschiedene Tipps, dass ich mich erst recht nicht mehr auskannte, und gab schließlich auf. Ich vergaß den Stock. Das heißt: nicht ganz. Er ließ sich nämlich nicht vergessen, er stand da im Fenster, die schwarzen Ästchen ausgestreckt, eher kein so schöner Anblick, aber was ist schon ein schöner Anblick im Winter.

Gegossen habe ich ihn nie.

Ende Jänner stutzte ich ihn zurecht.


Eingerollte Blätter

Und siehe da, im Februar, als ich ein paar zögerliche Sonnenstrahlen hereinlassen wollte, entdeckte ich es. Winzig klein! Leicht zu übersehen. Da, am besonders kümmerlichen linken Ast, schimmerte etwas rötlich. Noch waren sie eingerollt, aber in den kommenden Tagen entfalteten sie sich, drei wunderschöne Blätter, denen weitere folgen sollten und weitere, und mittlerweile grünt das Sonderangebot so schön wie nie zuvor. Jeden Morgen, wenn ich die Vorhänge beiseiteschiebe, werfe ich einen Blick auf den Stock, suche nach neuen Trieben und finde fast immer welche, ich betaste die Erde, ob er Wasser braucht, und bin ein wenig stolz, mehr auf ihn als auf mich.

Jetzt muss er nur noch blühen.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2017)

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