Am Herd

Ein Bikini im Herbst

Die Auswahl an Bademode hält sich im November in Grenzen.
Die Auswahl an Bademode hält sich im November in Grenzen.(c) REUTERS (Stringer Shanghai)
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Angebot und Nachfrage, heißt es. Angebot und Nachfrage. Gibt es denn außer mir wirklich niemanden, der im November einen Bikini kaufen will?

Ich bin ja eine mündige Konsumentin. Mündige Konsumenten erkennt man daran, dass sie im April bei Schnürlregen Sandalen kaufen, weil sie gelernt haben, dass im Juli nur noch Restposten verfügbar sein werden. Und dass sie im Oktober an Christbaumkerzen denken, denn am 24. Dezember ist es dafür zu spät. Als mündige Konsumentin weiß ich also immer Monate im Voraus, was ich brauchen werde – und was die Kinder: „Los, wir kaufen gefütterte Sneakers! Ja, heute. Und nein: Dass es 20 Grad plus hat, ist kein Argument.“

So hat es mich meine Mutter gelehrt, so gebe ich es an Hannah und Marlene weiter. Man muss das positiv sehen, sage ich: „Dafür gibt es das ganze Jahr über Faschingskrapfen.“

Manchmal drohe allerdings selbst ich an der Logik des Einzelhandels zu verzweifeln. Etwa wenn ich Anfang November einen Bikini brauche. So etwas kommt vor in der globalisierten Welt, ich glaube nicht, dass ich ein Einzelfall bin. Der freie Markt vertickt im November nämlich nicht nur Christbaumkerzen und Faschingskrapfen, sondern auch Tickets für Hallenbäder, Thermen und Flugreisen. Nach Tel Aviv zum Beispiel. Dort ist Badewetter.


Mode. Jetzt kommt ein kleiner Exkurs über einen weiteren Aspekt des freien Marktes, der unmittelbar damit zu tun hat, dass ich mit dem Bikini nicht bis Frühling warten kann: Es ist nämlich so, dass man als mündige Konsumentin manchmal bei Diskontern einkauft. Nicht sehr ehrenhaft, kommt aber vor. So ein Textil-Diskonter-Bikini hält aber gerade einmal vier, fünf Hupfer durch die Wellen aus, dann dehnt sich der Stoff, wird fadenscheinig und schlägt selber Wellen. Man braucht also neue Kleidungsstücke nicht nur der Mode wegen, sondern auch, weil sie kaputt gehen – und die Regel lautet: Je schnelllebiger die Mode, desto kaputt. Exkurs Ende.

Also muss ein neuer Bikini her. Die Verkäuferin im ersten Geschäft schaut mich herablassend an. Sie weiß: Ich habe als mündige Konsumentin versagt. Die Verkäuferin im zweiten Geschäft gibt der Herablassung eine mitleidige Note und schickt mich ins dritte Geschäft. Der Verkäufer im dritten Geschäft zeigt mir das einzige Modell, das er vorrätig hat: einen schwarzen Badeanzug. Und das mir, deren Hautfarbe um diese Jahreszeit gegen Kalkweiß tendiert − mit einem Hauch Frostblau. Ich flüchte ins vierte Geschäft und lerne: Der freie Markt ist der Meinung, dass ich jetzt keinen Bikini brauche, und wenn ich trotzdem einen zu brauchen glaube, dann gefälligst einen schwarzen.

Und jetzt komme ich schon zum Schluss: Ich habe bei Amazon bestellt. Drei Bikinis in Rot, Blau und Rot gestreift. Jetzt muss nur noch einer passen. Über die Frage, wie der Textilhandel das mit den Größenangaben handhabt, schreibe ich ein anderes Mal.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2017)

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