Am Herd

Nikotinsucht macht unfrei

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Warum Sie im neuen Jahr aufhören sollten zu rauchen? Einfach, weil es eine besonders blöde Sucht ist.

Die letzte Genussraucherin, die ich kennenlernte, traf ich auf Reisen. Es war eine kluge, sehr selbstbewusste Frau, die gerne sehr gut aß und noch besser trank, ihre diesbezüglichen Nachfragen brachten den Kellner zur Verzweiflung. Zum Kaffee steckte sie sich eine Zigarette an, so eine lange, schmale, lehnte sich zurück, blies eine kleine Wolke in die Luft und seufzte zufrieden. Sie sei, erklärte sie, keineswegs süchtig, es schmecke ihr einfach: So eine Zigarette nach dem Essen sei doch was Feines.

Ich flog mit ihr zurück. Das erste, was sie am Flughafen suchte, war das Raucher-Kabäuschen. Das stinkende, kleine, schmutzige Raucher-Kabäuschen.


Das Großraum-Raucherbüro. Tja, ich erinnere mich. Ich hätte mich zwar nie dem Irrtum hingegeben, ich sei nicht süchtig, bei drei Packerln am Tag wäre das auch schwer möglich gewesen. Aber dass ich aus guten Gründen rauchte – es hilft mir, mich zu konzentrieren, es ist gemütlich, es schmeckt mir – das glaubte ich schon. Und dass Ingrid, einzige Nikotin-Abstinente im Großraum-Raucherbüro, hysterisch war, wenn sie im Winter dauernd die Fenster aufriss, glaubte ich auch. Glaubten wir alle. Wir nebelten sie – der Nichtraucherschutz steckte noch in den Kinderschuhen – ohne schlechtes Gewissen ein. Meine Güte, sie soll sich nicht so aufführen!

Ich selbst habe am 26. Oktober 1998 aufgehört. Von 60 auf null, anders ging es nicht. Ich weinte, so sehr wollte ich eine Zigarette, aber ich hielt durch. Und hielt durch. Und als die Sucht sich verzogen hatte, viele, viele „Früher hätte ich jetzt eine geraucht“ später, war ich verblüfft: Hat mir das einmal geschmeckt? So geschmeckt-geschmeckt wie zum Beispiel der Apfelstrudel meiner Oma oder ein gutes Steak? Und war es wirklich gemütlich gewesen, noch schnell vor dem Kino eine runterzuheizen, damit der Nikotinspiegel stimmt? Jetzt, wo ich nicht mehr in die Tastatur aschte, konnte ich mich sogar besser konzentrieren. Was hatte ich davon gehabt?

Nicht einmal einen Rausch.


Verrückte Risken. Nein, ich habe nichts gegen Raucher. Und ja, in unserer Küche steht immer ein Aschenbecher für Gäste bereit, weil ich weiß, wie man sich fühlt, wenn man vor die Türe geschickt wird. Aber zu behaupten, Zigaretten hätten etwas mit Freiheit zu tun, ist absurd. Nikotinsucht macht unfrei wie andere Süchte auch. Sie zwingt dich, verrückte Risken einzugehen, wie die, deine Lunge zu zerstören, sie macht, dass du mitten in der Nacht bei strömendem Regen zum Zigarettenautomaten läufst und am Flughafen verzweifelt das stinkende Kabäuschen suchst. Und sie lässt dich Leute als hysterisch beschimpfen, die sich an deinem Rauch stören.

Ingrid, entschuldige bitte.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.01.2018)

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