Am Herd

Die Quadratur des Kreises

Kochen
Kochen(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Ich koche. Für vier Menschen, die alle Verschiedenes mögen und die manchmal zuhause sind, manchmal auch nicht. Es ist meine Quadratur des Kreises.

Zum Beispiel Hannah. Hannah isst am liebsten Fleisch. Rippchen und Wiener Schnitzel, Schweinsmedaillons und Bratwürste. Vegetarische Gerichte kommentiert sie mit: „Das schmeckt alles gleich!“ Ich habe keine Ahnung, wie Polenta-Chips mit Avocado-Sauce, eine Koriander-Kürbis-Pfanne oder Honig-Thymian-Karotten gleich schmecken sollen. Aber bitte. Ihr Motto: Keine Experimente. Fleisch.

Zum Beispiel Marlene. Marlene mag alles, was Hannah nicht mag, und umgekehrt. Das war schon immer so. Im Restaurant war das früher praktisch, eine Bestellung reichte für beide: Hannah aß die Suppe, Marlene die Frittaten, Hannah die Fleischlaibchen und Marlene das Kartoffelpüree, Hannah die Creme, Marlene den Tortenboden. Aber mittlerweile dominieren die Nachteile. Marlene ist Vegetarierin.

Zum Beispiel mein Mann. Der mag alles und versteht sich auf die Zubereitung von Wiener Schnitzeln. Das Problem: Irgendwann haben wir so oft Wiener Schnitzel gegessen, dass uns allen schon beim Anblick schlecht wurde. Auch das hat Tradition, Menschen verändern sich erstaunlich wenig: Als wir uns ganz frisch kannten, servierte er mir jedes Mal, wenn ich ihn besuchte, Kartoffeln in der Schale mit Butter und Käse. Jeden verflixten Abend. Irgendwann beschwerte ich mich. Er war verwirrt: „Du hast doch gesagt, du magst das?“ Ich war sehr verliebt. Zum Beispiel ich. Ich bin wahnsinnig heikel und dafür, dass ich so heikel bin, koche ich nicht gut genug. Dilemma.

Die Logistik! Und als sei das nicht kompliziert genug, ist Hannah manchmal bis acht auf der Uni, Marlene geht dafür um sechs zu Gitarre oder zur Musikkunde und Stephan ist um fünf schon hungrig, und so kommt es vor, dass es am Mittwoch Wiener Schnitzel gibt, die Marlene nicht isst und Hannah nur kalt konsumieren kann, während ich noch immer kaum einen Bissen runterkriege, am Donnerstag kriegt Hannah dafür Karottengemüse, das verkocht ist, weil wir auf Marlene gewartet haben, die aber in Klosterneuburg den Zug versäumt hat, weshalb ich Müsli esse: Ich hasse verkochtes Essen.

Am Wochenende ist dann meine Logistik endgültig überfordert: Freitag- und samstagabends schwankt nämlich die Zahl der Essenden zwischen zwei und sechs. Also es können auch mehr oder weniger werden, aber zwischen zwei und sechs ist realistisch an Abenden, an denen wir keine angekündigten Gäste haben. Meine Großmutter hat mir einmal ein Geschirrhangerl geschenkt, auf dem stand in so einer altmodisch anheimelnden Schrift: „Sechs sind geladen, zehn sind gekommen, gieß Wasser zur Suppe, heiß alle willkommen.“ Ich habe dafür Unmengen Reis.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.