Morgenroutine mit zwei Teenagern

...und dann noch eine gemütliche Tasse Kaffee.
...und dann noch eine gemütliche Tasse Kaffee.Michaela Bruckberger
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Manchmal wache ich erst auf, wenn Marlene aus dem Haus geht. Und Hannah – die hat heute nicht hier geschlafen, oder?

Das waren noch Zeiten. Da läutete der Wecker wochentags um 6.40 Uhr, ich tapste traumverloren in die Küche, um Brot zu toasten und Kakao zu kochen, unterschrieb noch rasch nebenbei einen Elternbrief, half vergeblich bei der Suche nach dem Geodreieck – dem dritten in diesem Jahr, wie ist denn das möglich, sag einmal frisst du die? Punkt 7.20 Uhr gingen die Töchter aus dem Haus und ich warf Marlene noch ein Luftbussi zu, während Hannah schon ums Eck bog. Hannah denkt immer, sie kommt zu spät. Deshalb ist sie dauernd eine Viertelstunde zu früh.

Heute stelle ich keinen Wecker mehr. Brauche ich gar nicht. Irgendwer wird mich schon aufschrecken, indem er mit der Wohnzimmertür knallt, im Vorraum einen Sessel umwirft, weil er auf der Suche nach der grünen Jacke ist – oder indem er einfach ins Schlafzimmer stürmt: „Mama, hast du den Locher gesehen?“ – „Ist der schon wieder verschwunden?“

Es gibt nämlich Dinge, die ändern sich nie.


Schwarztee. Manchmal treffe ich morgens Marlene in der Küche, Kopfhörer auf den Ohren, einen Becher Schwarztee mit Milch in der Hand, das ist jetzt ihr Frühstück und ich habe längst aufgehört zu sagen, dass sie etwas Vernünftiges im Magen haben sollte, weil der Schultag doch lang ist und sie noch wächst. Manchmal sitzen Hannah und ihr Freund Lukas gemütlich am Esstisch, ihre Vorlesungen beginnen erst später, kein Grund, mit dem Tee in der Hand aus dem Haus zu stürzen. Dann geselle ich mich kurz dazu und trinke ein Glas Orangensaft, während Lukas Schnurren vom sexistischen Uni-Professor zum Besten gibt und Hannah mir einen Mathe-Witz erzählt, den ich nicht verstehe. Das Abräumen der Teller überlassen sie übrigens mir.

Es gibt noch mehr Dinge, die sich nie ändern.


Badewanne. Manchmal ist es in der Früh aber auch seltsam ruhig. Hannah ist nicht zu Hause, sie hat bei Lukas übernachtet, die beiden trinken heute dort ihren Orangensaft. Von Marlene höre ich nur mehr, wie die Wohnungstür ins Schloss fällt. 7.40 Uhr. Ich habe noch Zeit. Ich ziehe die Vorhänge zurück und lasse Licht ins Zimmer, mache mir einen Kaffee und fläze mich aufs Sofa. Ich weiß, ich kann heute lang in der Badewanne liegen, weil keiner anklopfen wird und sich die Zähne putzen muss, und ich werde mich durch die Spotify-Playlist hören, die mir Marlene zu Weihnachten geschenkt hat. Meine derzeitigen Lieblingslieder heißen „Hitler töten“ und „Bitch“ und bei den Refrains singe ich laut mit: „Bitch, ich bin für dich. . .“

Und wenn ich nicht draufkommen sollte, dass eines der Kinder sich meine Lieblingsbluse geklaut hat, beginnt der Tag gar nicht einmal so schlecht.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

www.diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2019)

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