BMW 7er: Noch lange nicht am Ende

Smarte Opulenz, geht das zusammen? Am ehesten im neuen BMW 7er, immer noch das Flaggschiff der Marke, hier als 730d.
Smarte Opulenz, geht das zusammen? Am ehesten im neuen BMW 7er, immer noch das Flaggschiff der Marke, hier als 730d.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die klassische Luxuslimousine hat ausgedient? SUVs und ein Konkurrent aus Kalifornien nagen an der Bedeutung des Formats, doch einen Markt für Autos wie den neuen BMW 7er gibt es weiterhin – und das völlig zu Recht.

Werden die Meldungen aus der Branche nur überflogen, glaubt manch einer schon, die Totenglocken für S-Klasse, Siebener und Audi A8 läuten zu müssen. Trieb nicht der Siegeszug des SUVs das Format in die Bedeutungslosigkeit? Verwies nicht Teslas Model S die einst so stolzen Flaggschiffe der deutschen Premiummarken auf die Ränge, sowohl beim Image als auch bei den Verkäufen?

Das Beispiel des BMW 7er zeigt: Meldungen von seinem Ableben sind stark übertrieben. Gewiss: Stückzahlen von deutlich über 20.000 Exemplaren, wie noch vor 20 Jahren, werden in Europa nicht mehr abgesetzt. Aber an diese Stelle ist China getreten: Zu jener Zeit als Markt nicht vorhanden, im Vorjahr gut für 24.500 Stück des 7er (in Langversion).

Und ein Modellwechsel, so wie aktuell das umfassende Facelift der sechsten 7er-Generation, vermag auch in Europa und den USA alleweil noch einen Schub in der Nachfrage zu zünden.

(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Von Wien nach Hamburg

Dass das Volumen in den klassischen Märkten tendenziell trotzdem zurückgeht, liegt an der SUV-Mode und am zeitgeistigen Downsizing, wenn es etwa Geschäftsführer oder Repräsentanten des Staates aus Gründen der Außenwirkung eine Nummer kleiner geben. Der schrumpfende Markt hat die weniger sattelfeste Konkurrenz (VW Phaeton, Jaguar XJ, bei uns Lexus LS) schon abgeworfen. Die verbliebenen Hersteller – Mercedes S-Klasse als Marktführer, dahinter 7er, dann Audi A8 – bleiben sowieso dran: Gerade auf die Margen in dieser höchsten Spielklasse kann nicht verzichtet werden.

Tesla? Wird als Faktor überschätzt. Kaum einer, der einen 7er erwägt, wird am Steuer eines Model S landen. Denn wer glaubt, die beiden Modelle vergleichen zu können, ist eines der beiden noch nicht gefahren. Es sind zwei verschiedene Welten. Dort ein faszinierendes Elektroauto, das einen freilich nach spätestens zwei Stunden zurückhaltender Autobahnfahrt nach der nächsten Lademöglichkeit fahnden lässt. Hier eine Luxuslimousine auf der Höhe ihrer Kunst, in der man bei Bedarf von Wien nach Hamburg (und weiter) reist, nicht nur, weil man vollgetankt über 1300 Kilometer Reichweite verfügt, sondern dabei auch so viel Komfort erlebt, dass die Reisedauer ohne Not in einem Stück zu überstehen wäre. Zur Unterhaltung kann man noch all die Teslas auf der Lkw-Spur zählen, die man auf dem Weg so überholt.

Damit zum Eigentlichen: Was ist neu am 7er? Als Aufreger hat die imposant angeschwollene Niere die Runde gemacht, aber wir haben an der Fahrzeugfront nichts auszusetzen: Das ist ein Chefwagen, der sich nicht kleinmachen muss. Der dezentere Vorgänger wirkt fast ein bissl fad daneben.

(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Geschmeidiges Dieselfahren

Die Festspiele finden ohnehin im Inneren statt. Der Motorraum ist schon mit dem Dreiliterdiesel aus Steyr hervorragend besetzt. Der Reihensechser mahlt genügsam vor sich hin – unter sieben Liter im Schnitt sind problemlos zu haben –, pumpt aber ohne Mühe das Drehmoment eines Supercars in den Kurbeltrieb. Abgasreinigung auf dem Stand der Technik, Allradantrieb, Achtgangautomatik, die drei A für geschmeidiges Dieselfahren dieser Tage.

Welcher ist der beste Platz an Bord? In der S-Klasse wären wir nicht so bestimmt, aber im 7er muss es am Lenkrad sein. Hier genießt man die Antriebskultur in vollen Zügen – gern auch etappenweise im Sportmodus, während das Fahrwerk im Normalfall über alle Widrigkeiten nobel hinwegschwebt – und steht einem dienstfertigen Cockpit vor, in dem der richtige Mix aus Angebot und Übersicht gefunden wurde. Die Sprachsteuerung, ebenso auf Zuruf aktivierbar wie bei Mercedes, darüber hinaus personalisierbar mit einem selbst gewählten Schlüsselwort, lässt einem die Hände am Volant und den Blick auf der Straße. Immer mehr Funktionen sind per Handbewegung ansteuerbar. Der akustische Komfort ist überragend, auch eine Folge des Facelifts mit dickeren Scheiben und mehr Dämmung zur Hinterachse hin. Fun-Gadget: Sucht man Erfrischung, dirigiert das Auto auf einen Befehl alle verfügbaren Funktionen: Temperatur herunter, Ambientebeleuchtung ins Blaue, Schiebedachblende auf, Massagesitz auf Vitalisierung, lebhafte Musik – da mussten wir grinsen, und das erfrischt allemal.

Compliance-Hinweis: Die Reisen zu Produktpräsentationen wurden von den Herstellern unterstützt. Testfahrzeuge wurden kostenfrei zur Verfügung gestellt.

BMW 730d X-Drive

Maße: L/B/H: 5120/1902/1467 mm. Radstand: 3070 mm. Leergewicht: 1955 kg (EU). Kofferraumvolumen: 515 Liter.

Motor: R6-Zylinder-Turbodiesel, 2993 cm3. Leistung max.: 195 kW (265 PS) bei 4000/min. Drehmoment max.: 620 Nm bei 2000–2500/min.
0–100 km/h in 5,8 sec, Vmax: 250 km/h. Testverbrauch: 7,0 l/100 km. Allradantrieb. Acht-Gang-Wandlerautomatik.

Preis: ab 104.200 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2019)

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