Audi E-Tron: Fröhlich surrender Stromfresser

Inszenierung der Elektromobilität mit beachtlicher Ausdehnung nach Art des Hauses Audi.
Inszenierung der Elektromobilität mit beachtlicher Ausdehnung nach Art des Hauses Audi.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit einem Vorsprung durch Technik kann Audi bei seinem ersten Elektroauto eher nicht dienen. Was spricht für den E-Tron?

Nein, Vorsprung kann Audi auf dem elektrischen Gebiet keinen für sich reklamieren. Teslas Model X, um nur das SUV der Kalifornier zu nennen, trägt schon einen Bart, und der Jaguar i-Pace ist seit Sommer des Vorjahrs auf dem Markt. Diese beiden, von der Größe her vergleichbar, sind zudem als pure Stromer konzipiert, während Audis E-Tron ein modifizierter Q5 ist – eine konventionelle Plattform also, die auf den Betrieb mit Verbrennungsmotor und allen dazugehörigen Komponenten ausgelegt ist: technisch eine Sackgasse, auch wenn Know-how für Kommendes gewonnen ist. Die Marke stand aus Imagegründen unter Zugzwang: Ein Elektromodell musste her, um im Gespräch zu bleiben. Mit der Konsequenz, dass der E-Tron eine Zwischenlösung mit beschränkter Lebenszeit ist.

Schwerer Junge

Dafür ist der Audi nicht schlecht gelungen. Der Aufenthalt an Bord ist alles andere als verdrießlich. Zu seinen Stärken kommen wir noch. Er leidet allerdings an drei Makeln: exzessivem Gewicht, übermäßigem Verbrauch und imposantem Preis. Dabei steht zu befürchten, dass der E-Tron Audi mehr kostet als einbringt. Aber mit dem Geldverdienen tut sich auch Pionier Tesla schwer.

Hochwertiges Interieur.
Hochwertiges Interieur.(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Nun der Reihe nach: Warum ist der E-Tron gar so schwer? Weil er auf einer Stahlkonstruktion aufbaut (mit ein bisschen Alu), und die wiegt halt. Verbrennungsmotor plus Anhang fallen zwar weg, aber zwei Elektromotoren und die Leistungselektronik bringen auch etwas auf die Waage, und dann kommt der 95-kWh-Stromspeicher dazu – mit allein 700 Kilogramm. So überschreitet der Audi am Ende die 2,5 Tonnen Leergewicht (gemäß EG). Der Jaguar (in Alubauweise) liegt bei 350 kg weniger, der Tesla wiederum nur marginal darunter, dies aber bei mehr Außenlänge, Radstand und Akkukapazität. Klar, von leichten Autos kann man sich im Elektro-Zeitalter schon einmal verabschieden.

Es ist ja genug Power vorhanden, um trotzdem davonzustieben, auch wenn diese Thrills im Audi nicht annähernd so überwältigend ausfallen wie im i-Pace, der jederzeit Sportwagen (auch auf kurviger Strecke) jagen kann. Der Audi hat ein hochwertiges Fahrwerk mit viel Komfort, aber auch einen hohen Schwerpunkt, da sich konstruktionsbedingt nicht alles an Akkus bodennah unterbringen ließ wie im Jaguar, dessen flaches Akku-Pack man sich als Skateboard vorstellen kann.

Ladebuchsen an beiden Flanken.
Ladebuchsen an beiden Flanken.(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Die meiste Zeit fuhren wir den E-Tron ohnehin im Effizienzmodus und gaben ihm nur sehr gelegentlich die Sporen. Der Schnittverbrauch mit 30,7 kWh/100 km ist dafür viel zu hoch. Unter 27 kWh kamen wir selbst beim Rollen durch die Stadt nicht (lästig übrigens: Der gewünschte Grad an Rekuperation muss ständig aufs Neue per Lenkrad-Paddles angewählt werden). Die etwa 320 km Reichweite, die bei langsam aufgetröpfelter Ladeleistung vom Bordcomputer ausgerufen sind, erschöpfen sich speziell auf der Autobahn unverhältnismäßig schnell. Denn zu rekuperieren gibt es dort nichts, und während der Luftwiderstandsbeiwert mit 0,28 (Herstellerangabe) sehr respektabel ist – nicht umsonst steht der E-Tron tiefergelegt da, die serienmäßige Luftfederung vermag zu variieren – verhagelt die SUV-typische große Stirnfläche jede Windschnittigkeit. Wien–Linz? Geht gerade noch, wenn man es bei 130 km/h belässt.

Jetzt müssen aber auch Talente hervorgekehrt werden. Da ist das gekonnt inszenierte Hightech-Ambiente des Innenraums, das es im konventionellen Audi, etwa dem Q8, allerdings genauso gibt. Richtig sagenhaft ist die akustische Isolierung, die wohl ebenfalls auf das Gewicht schlug. Es dringt dermaßen kein Geräusch von der Fahrbahn und von Straßengenossen ins Innere, dass man meinen möchte, alle Welt wäre schon elektrisch unterwegs. Allein das dezente Surren des E-Antriebs beziehungsweise der Generatorphase dringt ans Ohr, und so viel hörbare Verbundenheit zum Antrieb ist auch eine gute Sache. Freundlicherweise hat der E-Tron seine Ladebuchsen (mit Auf-zu-Showeffekt) auf beiden Flanken, was das Kabelhantieren weniger umständlich macht.

Tarifgestaltung? Durch die typische Aufpreistreiberei unter Premiumsiegel darf man den Grundpreis als Starthüttchen vor einem langen Weg ins Ziel verstehen.

Den großen Sprung in die Elektromobilität, den hat die englische Raubkatze gemacht. Audi hat ihn noch vor sich.

Audi E-Tron 55 quattro

Maße. L/B/H: 4901/1935/1629 mm. Radstand: 2928 mm. Leergewicht (EU) ab 2565 kg. Kofferraumvolumen: 660 bis max. 1725 Liter.
Antrieb. Zwei Asynchronmotoren an Vorder- und Hinterachse.
Leistung: max. 265 kW. Drehmoment: max. 561 Nm.
0–100 km/h in sec. Vmax: 200 km/h.
Lithium-Ionen-Akku, Kapazität: 95 kWh.
Testverbrauch: 30,7 kWh/100 km.
Allradantrieb. Luftfederung. Eingang-Getriebe, zweistufig übersetzt.
Preis ab 83.740 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2019)

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