Moretti, Cars and Bikes

(c) Juergen Skarwan
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Die Kunstwelt wird zum runden Geburtstag gratulieren, wir ehren gleich auch den Motor als Kulturgut.

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Der Künstler und ich haben schon viele g’scheite und weniger g’scheite Sachen beredet, und einmal hab ich gesagt: Wenn Sie dich bei einer dieser Sendungen fragen, was für ein Tier du wärst, wenn du eins wärst, was würdest du dann sagen?

Moretti: Ich müsst’ sagen, ich bin ein Alfa Veloce.
Tobias Moretti ist also eigentlich ein starrachsiger fünfgangfarbener Doppelnocken-Zweiliter, das kommt ja ganz gut hin, in der Kunst wie im Leben. Abgesehen davon wird er demnächst 60 und probt lieber den Jedermann in Salzburg, als über Geburtstage zu reden.

Wir verharren noch kurz beim alten Eisen, es belebt unverändert das Haus, den Hof, die Familie Moretti. Mittelpunkt des Metallischen in dieser weiten Beziehung ist also ein Auto, das mit vollem Namen heißt: Alfa Romeo GT Veloce Bertone 2000, vom wunderbaren Jahrgang 1972.
Der Veloce, sagt Tobias, sei in seiner kompakten Komposition und Schönheit unschlagbar, auch von einem Ferrari. Unkomplizierte 130 PS und eine Starrachse, mit der man Kurven fahren kann, dass du glaubst, es bleibt dir das Hirn stehen. Wenn man diese alte Technik beherrscht, relativ aggressiv einlenken und dann harmonisch auslaufen lassen wie in der Parabolica, dann wird dir auch heute keiner um die Ohren fahren, naja, auf trockener Fahrbahn halt. Vom Charakter her ist er ein Saiteninstrument . . .

. . . okay, welches Instrument wärst du?
Ich würde zwischen einem Cello und einem Horn sein, wenn ich ein Instrument wäre. Aber immer mit der Sehnsucht, eine Geige zu sein.
Dann kann’s ja kein Zufall sein, dass du im Leben an eine Oboistin geraten bist . . .

. . . doch, nur Zufall, ein glücklicher Zufall. Ich meine, Musik hat immer alles bestimmt, was ich bisher gemacht hab, ob es um mein dramatisches Verständnis geht oder meine Passion. Auch meine Liebe zu Autos, das ist ein musikalischer Vorgang. Es ist eine Art und Weise der Bewegung. Man merkt es am Fahrstil, wenn man sportlich unterwegs ist, ob mit dem Motorrad oder mit dem Auto. Am schnellsten ist man immer dann, wenn es ganz leicht ausschaut. Die mit den quietschenden Reifen, das sind immer die Langsamen. Das beste Beispiel für mich ist Walter Röhrl. Er gehört zu den fahrerischen Jahrhundertgenies.

Wie konnten sich die Bikes und Autos in deinem Leben überhaupt so viel Platz verschaffen?

Mit elf Jahren hab ich 500 Schilling gespart gehabt und mir das erste Moped kaufen dürfen, ein Postlermoped, MS 50. Da hab ich einen Hi-Rise-Lenker draufgetan und einen Bananensattel, der hat 67 Schilling gekostet. Der Vater hat gesagt, wenn ich mich erwischen lass, erschlagt er mich, ansonst’ hätt’ er nix g’sehn. Ich hab mich nicht erwischen lassen, dann hat er mir mit 12 Autofahren beigebracht und mich auch fahren lassen, mit einem Fiat 124 Familiare. Der Vater hat gesagt, wenn man auf unseren steilen Straßen eine Schotterstraße im Retourgang bergauf fahren kann – Hecktriebler! –, ohne dass die Kupplung stinkt, dann kann man Auto fahren. Das hab ich bald können.
Mit 17 hab ich die Lizenz gemacht für die 125er. Und dann bin ich Straßenrennen gefahren und Bergrennen – Motorrad ist für mich bis heute noch der logische Motorsport.

»„WENN DU ALLES
ZUSAMMENZÄHLST
AN AUTOS: NIX GEHT
ÜBER EINEN LIEBEVOLL
GEFÜHRTEN ALFA.“«

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»MORETTI IST EIN THEMA FÜR DIE KÜNSTE. ABER ER PASST HALT WUNDERBAR INS BILDVOM RACER und LOVER.«

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Was dazwischen geschah: Tobias Moretti studierte Komposition in Wien, dazwischen musste er Geld verdienen, verdingte sich als Fernfahrer. Dann fehlten ihm weiterführende Perspektiven seines Studiums, und als er wieder einmal auf Fernfahrertour war, machte er in München bei der Schauspielakademie einen Stopp und sagte ungefähr, ich hab nicht viel Zeit, weil ich hab den Lastwagen unten stehen, aber ich könnte etwas aus „Kabale und Liebe“ vortragen. Das hat er getan. Zuerst haben sie ihn ausgelacht, weil er beim Üben immer nur eine fiktive Luise auf dem Beifahrersitz angestrudelt und sich dementsprechend aufgeführt hat. Dann setzten sie ihm eine echte Frau gegenüber und sagten, er solle nur einfach reden, das hat er getan und war aufgenommen. Das war ein wesentliches Erlebnis, sagt er: Wenn man plötzlich von der Geste weg zum Eigentlichen geführt wird.
Auf der Akademie ist er, wie man sagt, ins dramatische Fach hineingewachsen, wurde Schauspieler an wesentlichen Bühnen in Deutschland, dann auch am Wiener Burgtheater und hatte mit Film nichts am Hut, bis die „Piefke-Saga“ passierte. Damit war er berühmt, dann kam „Kommisar Rex“, es war eine schöne Zeit, sagt er, und Tobias Moretti wurde noch berühmter. „Bevor die Prostitution hätte anfangen können“, hat er sich ausgeklinkt, man weiß das alles.
Die Autos auf dem Tiroler Bauernhof wechselten, abgesehen natürlich vom GTV.

Fantastisch war der Jaguar-Roadster XK 140 (Jahrgang 1956), bei dessen Formen Moretti wieder ins Musikschwärmen kam, bis zu einer Mozart-Symphonie (komisch: Beim Wein sagen die Richtigen ja auch, der ist mozartäisch).

Dafür passte der Seelencharakter des Jaguar nicht. Wie in den ewigen Legenden vom Prince of Darkness wurde es im XK plötzlich finster. Normal wär’s kein Problem, aber draußen war’s auch schon finster, und Tobias war mit der sehr kleinen Tochter unterwegs. Am Ende war alles okay, aber Moretti verabschiedete sich vom Jaguar, „mit der Radikalität von enttäuschten Verliebten“.

Dann, über Jahrzehnte, war er schrecklich in alle Porsche-Neunelfer vernarrt, über die Auto-Generationen hinweg, und er meint auch jetzt noch, dass der Neunelfer das Maß von technisch Machbarem, von Geschwindigkeit und rennsportivem Autofahren sei. Die Zwangsbeglückung durch die Doppelkuppung-Automatik für ein „Automobil der Leidenschaft“ war ihm aber einen Tick zu viel. Außerdem hatte er ein Erlebnis, „da war ich in München Theater spielen und hab am Abend meinen 911er zwischen all den anderen 911ern, wahrscheinlich Zahnarzt-, Juristen- und Gattinnen-Neunelfern, nicht mehr gefunden. Da ist etwas in mir passiert, plötzlich war der Wunsch da, mit der italienischen Selbstverständlichkeit eines Fiat Panda wieder nach Hause fahren zu dürfen.“

Also sind die Morettis immer tiefer ins italienische Fach geraten, Alfa Romeo ist mittlerweile ein Bekenntnis. Da ist der erwähnte Veloce von 1972, dann gibt’s einen Veloce Spider von 1960, einen Duetto von 1966 (klar, Dustin Hoffman fährt im Geiste mit, am guten Ende auch Katharine Ross, aber warum haben wir sie eigentlich aus den Augen verloren, seit sie in der Kirche „BEEEEeeen“ brüllte, auf eine Art und Weise, dass es uns in die Kinositze nagelte? Sie hat seither fünfmal geheiratet, sagt Wikipedia. Okay, wir schweifen ab.)

Und dann, vor allem, gibt es die Giulia Super, die halt zufällig so heißt wie die Ehefrau. Tobias hat Julia, damals 22, sehr ernsthaft gebeten, ein Auto aus dem Rheinland ins Tirolerische zu bringen, ohne dass sie gewusst hätte, was da auf sie zukommt. Tobias Moretti in all seiner Zärtlichkeit sagt: „Seitdem ist die Giulia die ihre. Und wie sie fährt, ist es noch immer diese Mischung aus Noblesse, Anmut und einem jugendlichen Übermut zwischen dem zweiten und dritten Gang.“ Hey, das ist wirklich eine Liebeserklärung zum Langsamlesen. Und wie sich eine Schaltphase verzaubern lässt.

Wenn einer wie Moretti bald den Sechziger zur Kenntnis nimmt (11.  Juli) und eine Woche drauf den Jedermann gibt, und dann noch dreizehn Mal, wollen wir uns in Erinnerung rufen, dass er von Natur aus ein Racer ist. Er ist ja praktisch gleich alt wie Gerhard Berger, beide sind zur gleichen Zeit Motorradrennen gefahren – da hätte was draus werden können. Nein, sagt Moretti, erstens fehlte das Geld für besseres Material, zweitens sei das Motornarrische plötzlich aus seinem Leben weg gewesen. Es ist, in milderer Form, später wiedergekommen und hat noch einen sagenhaften Schub bekommen, als er 2013 auf einem KTM-Bike die letzte afrikanische Version von Paris–Dakar fuhr. Sein Bruder Gregor (Bloéb) war dabei, und der unvergleichliche Kinigadner hat die Regie übernommen, als wäre er herrgottmäßig ein Schutzherr der Leidenden. Tobias und Gregor sind in super Performance ins Ziel gekommen.

Als kleines Beispiel, abgesehen von Stürzen und Rackern in den Dünen, haben wir das Zahnbürschtl-Syndrom in Erinnerung.
Ab dem zweiten Tag war der linke Unterarm (Kupplung) eingekrampft. Dann die rechte Hand. Was zum Gasgeben noch taugt, versagt im Gebrauch vor dem Zelt, im Finstern in der Früh. Tobias: „I hab die Finger nimmer zsammgebracht. Das Zahnbürschtl fallt dir aus der Hand. Man muss drüber nachdenken, wie Daumen und Zeigefinger zusammenkommen sollen.“

Ab dem vierten Tag hat sich dann alles halbwegs eingespielt, Tobias weiß auch, warum: „Der Mensch ist ja ein Überlebenswunder, wenn die Strapazen unvorstellbar sind. Man denkt, es wird immer schlimmer, aber es wird immer besser.“

Moretti als Star ist ein Thema fürs Kunstvolk. Automäßig sagt er, dass nichts über seine Alfas gehe. Er gibt dazu aus dem Stegreif Statements zur Befindlichkeit ab, allein beim Starten: Ich genieße das viermalige Durchtreten des Gaspedals und beim fünften Mal dieses „BRRRmmmm“. Es sei der unnachahmliche Klang des ersten Taktes eines Allegro für den „giorno di lavoro“ – der hundsnormalen Freude am besonderen Alltag.

(c) Juergen Skarwan

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