Zwölf Stunden in der Logistik

Personal. Die Logistikwirtschaft begrüßt generell die neuen Regelungen rund um den Zwölf-Stunden-Tag. Diese Höchstgrenze muss aber eine Ausnahme bleiben, so der allgemeine Tenor.

Als „hochemotional“ bezeichnet Franz Staberhofer die aktuelle öffentliche Debatte um die neuen Regelungen des 12-Stunden-Tags. Der Obmann des Vereins Netzwerk Logistik (VNL) befürwortet die neuen Arbeitszeitregelungen. Mit dem nun möglichen Spielraum fair umzugehen, scheint das Gebot der Stunde zu sein. „Vernunft kann wirken“, meint Staberhofer, der auch Logistikprofessor an der FH Oberösterreich ist. Und als „vernünftig“ bezeichnet er 95 Prozent der Unternehmen. Und weil diese ordentlich miteinander arbeiten könnten, müsse man sie auch nicht in Gesetzesregelungen stecken, die nur fünf Prozent vor unvernünftigem Verhalten bewahren. Als konkretes Beispiel dafür, warum längere und flexiblere Arbeitszeitregelungen sinnvoll seien, nennt er saisonale Schwankungen, etwa in der Vorweihnachtszeit.

Roland Weiner, Geschäftsführer des Wiener Unternehmens Maillog, freut sich einerseits über die neue tägliche Höchstgrenze, andererseits will er aber auch umsichtig damit umgehen. In seinem Unternehmen, das Postdienste, wie die Versandorganisation von Online-Shops anbietet, gebe es „selten aber doch Tage, an denen diese Stundenanzahl tatsächlich Sinn macht“, sagt Weiner. Und: „Eine ansprechende Leistung an solchen, wirklich langen und anstrengenden Tagen, bekommt man meiner Meinung nur dann, wenn der Mitarbeiter hier selbst davon überzeugt ist, dass diese Stunden wichtig sind.“ Für Weiner ist es demnach vernünftig, wenn zwölf Stunden die Ausnahme bleiben. Zudem seien regelmäßige Motivation der Mitarbeiter, ein guter Ausgleich zwischen geforderter Leistung, Entlohnung und Freizeit, sowie ein passendes Arbeitsumfeld wichtig. Sonst habe man „bald keine Mitarbeiter mehr“, betont er und fügt hinzu: „Vor allem keine Guten.“

Prinzipielle Zustimmung

Auch große Logistiker befürworten die Änderungen im Arbeitszeitgesetz. „Wir begrüßen alle gesetzlichen Regelungen, die zu einer Vereinfachung der Arbeitsabläufe und Erhöhung der Flexibilität führen“, sagt David Weichselbaum, Pressesprecher der Österreichischen Post. Ein Prozess ist nun angestoßen: „Aktuell prüfen wir, in welchen Teilbereichen diese Regelungen zur Anwendung gebracht werden können und welche Auswirkungen diese für die Mitarbeiter und das Unternehmen haben“, sagt Weichselbaum.

Im Bereich der Lebensmittellogistik ist von Rewe ähnliches zu hören. Man begrüße „prinzipiell die Möglichkeit einer Flexibilisierung und Erweiterung der Höchstarbeitszeit pro Tag auf zwölf Stunden“, teilt dessen Sprecherin Susanne Moser-Guntschnig mit. Sie betont aber auch: „Für uns ändert sich dadurch jedoch wenig, wir werden das so wie auch bisher auf Basis vorhandener Betriebsvereinbarungen handhaben.“ Es gebe aktuell bereits Betriebsvereinbarungen, die in Einzelfällen punktuell bis zu zwölf Stunden möglich machten. Es würde auf „Einvernehmlichkeit und Freiwilligkeit“ Wert gelegt, sagt die Rewe-Sprecherin.

Ob der Logistik-Arbeitsmarkt nun bei Berufsinteressierten anders bewertet wird, bleibt abzuwarten. Für Karl Delfs, Fachbereichsseketär im Bereich Straße der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida, ist dies jedenfalls derzeit offen. Um eine wirkliche Betrachtung der Auswirkungen des neuen Arbeitszeitgesetzes zu ermöglichen, sei die Zeit seit der Inkraftsetzung zu kurz. Und er stellt fest: „Bis jetzt sind keine Betriebsräte mit Änderungswünschen bei den Betriebsvereinbarungen auf mich zugekommen.“

Diese könnten aber durchaus kommen, denn Spielraum ist in der Verkehrswirtschaft vorhanden. Mit Blick auf den zwölf-Stunden Tag gebe es nur vier Kollektivverträge von insgesamt circa 20, die die maximale Tagesarbeitszeit auf zehn Stunden begrenzen – und der Kollektivvertrag sticht das neue Arbeitszeitgesetz. Dies geht aus Aussagen von Christian Schmeidl hervor. Der Arbeitsrechtsrechtsexperte in der Bundessparte Transport und Verkehr der WKO betont daher: „Man muss sich jeden einzelnen Kollektivvertrag anschauen.“ Es gibt – durchaus hochemotionale – Kritik an dem neuen Spielraum. Dies machte eine Pressekonferenz aller Gewerkschaften des ÖGB – zu der auch Vida gehört – zum Start der neuen Regelungen Anfang September deutlich. Denn in einer repräsentativen Befragung des Meinungsforschungsinstituts IFES spiegelt sich Unmut über die vergangenen Monate wieder. Die Ergebnisse zur Befragung im Auftrag des ÖGB kommentierte auch dessen Präsident Wolfgang Katzian. Konkret geht er auf den Entscheidungsprozesse zum neuen Arbeitszeitgesetz ein: Es würden rund 80 Prozent der Befragten deutlich machen, „dass die Vorgangsweise der Regierung, das ohne Einbeziehung der Sozialpartner durchzupeitschen, klar abgelehnt wird“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2018)

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