Kontrollen kosten viel Geld

Grenzkontrollen an der deutsch �sterreichischen Grenze am 21 06 2018 am Grenz�bergang Walserberg Ver
Grenzkontrollen an der deutsch �sterreichischen Grenze am 21 06 2018 am Grenz�bergang Walserberg Ver(c) imago/Revierfoto (Revierfoto)
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Grenzverkehr. Die wieder häufigeren Staus am Walserberg oder in Nickelsdorf ärgern nicht nur private Autofahrer. Die Logistikbranche beklagt massive Mehrkosten. Studien beziffern teilweise Milliardenbeträge.

Wartezeit am Walserberg in Fahrtrichtung München rund eine Stunde“ – viele Jahre lang waren solche Verkehrsmeldungen Geschichte, jetzt hört man sie wieder. Auf der Suche nach illegalen Einreisenden wird an immer mehr innereuropäischen Grenzen kontrolliert wie einst in der Zeit vor Schengen. Und dann staut es sich. Das ärgert nicht nur Urlaubsreisende, sondern vor allem auch die Transportwirtschaft. Denn die Verzögerungen kosten Geld und zwar nicht wenig.

Nicht nur reine Wartezeit

Wie hoch die Beträge sein können, hat das Zentrum für Transportwirtschaft und Logistik der Wirtschaftsuniversität Wien jetzt in einer gestern präsentierten Studie für die Bundessparte Transport und Verkehr der WKO errechnet. Demnach würde eine umfassende Kontrolle insgesamt Zusatzkosten in der Höhe von über zwölf Millionen Euro pro Tag verursachen, das ergäbe pro Jahr weit über drei Milliarden Euro. Enthalten sind in diesen Zahlen nicht nur die direkten Kosten für die Wartezeiten, sondern auch beispielsweise Lagerhaltungskosten oder Belastungen durch die Notwendigkeit der Adaption logistischer Prozesse.

„Natürlich kommt es darauf an, in welchem Umfang die Kontrollen durchgeführt werden“, meint Studienautor Sebastian Kummer, „aber wenn man tatsächlich ernsthafte Grenzkontrollen einführt, wird das sehr schädlich für die Wirtschaft sein.“

Besonders negativ wirken sich Kontrollen bei Transporten auf kurzen Distanzen aus. Davon wären vor allem Grenzregionen betroffen. „Für den Salzburger Installateur, der jetzt auch in Bayern Kunden betreut, für Salzburger Logistiker, die jetzt Empfänger in Bayern regelmäßig beliefern, ergäben sich besonders massive Nachteile“, argumentiert Kummer.

Schon die derzeitigen Kontrollen, die laut Österreichischem Innenministerium so lange aufrecht bleiben sollen, bis es eine wirksame Kontrolle an den EU-Außengrenzen gibt, bringen erhebliche Nachteile für die Transportwirtschaft. „Man kann sich die Verluste ja leicht ausrechnen, niedrig gerechnet betragen alleine die Kosten für Fahrzeug und Fahrer etwa 50 bis 70 Euro pro Stunde“, meint Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr der WKO.

Schengen verschärft Problem

Besonders ärgert Klacska, dass die Kontrollen nicht an den früheren Grenzstationen stattfinden, sondern ein Stück danach: „In Nickelsdorf oder am Walserberg gibt es noch die große Infrastruktur mit mehreren Spuren direkt an der Grenze, wo man den Verkehr auffächern könnte. Dort wird durchgefahren und 100 Meter weiter auf der Autobahn der Verkehr auf eine Spur eingeschränkt, um kontrollieren zu können.“ Grund für diese Absurdität sei das Schengen-Abkommen, dass keine Grenzkontrollen vorsieht, sondern Kontrollen im grenznahen Raum. „Das müsste sich durch bilaterale Verträge doch rasch ändern lassen“, meint Klacska.

Auch der Zentralverband Spedition & Logistik, eine Interessensvertretung auf freiwilliger Basis für Spediteure und Logistik-Dienstleister, sieht „Grenzkontrollen als unberechenbare Hürden auf dem Transportweg, die zur Verlangsamung und Verteuerung der Warentransporte führt“, erläutert Geschäftsführer Oliver Wagner. Es sei aber Aufgabe der Logistikbranche, mit solchen Unzulänglichkeiten umzugehen. Schwierig werde das Einplanen nicht vorhersehbarer Kontrollen bei just-in-time-Lieferungen. Gerade dieses Feld biete jedoch interessante Chancen für Speditionen, meint Wagner: „Effizientes Supply Chain Management mit seinen hochspezialisierten Tätigkeiten ist ein wachsender Teil der Wertschöpfung unserer Branche.“ Die Wartezeiten an den Grenzen haben aus Sicht des Zentralverbands noch weitere Konsequenzen: „Durch den unplanbaren Zeitverlust erschwert die Blockabfertigung am Brenner beispielsweise die erwünschte Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene“, sagt Wagner.

Ebenfalls betroffen von den Grenzkontrollen ist die ÖBB Rail Cargo Group. Aktuell werden etwa stichprobenartige Kontrollen an den Bahnhöfen Steinach i. Tirol, Thörl-Maglern, Graz, Matrei und Rosenbach bei Villach durchgeführt, besonders bei Zügen aus Italien. Die ÖBB sehen diese Kontrollen durchaus im Interesse der Sicherheit aller Beteiligten, da illegale Mitreisende sich vor allem in Güterzügen selbst gefährden.

Studien mit großer Bandbreite

Die Studie der WU Wien ist nicht die einzige, die vor den enormen Kosten von Grenzkontrollen warnt. Eine Reihe von Untersuchungen haben die Auswirkungen auf den Handel zwischen den Schengen-Ländern zum Inhalt. Das Beratungsinstitut der französischen Regierung France Stratégie kommt hier zum Schluss, dass die Wiedereinführung von permanenten Personenkontrollen wie ein Zoll von drei Prozent wirke und meint, der Handel zwischen den Schengen-Ländern würde um zehn bis 20 Prozent sinken. Das bayerische Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München kommt im Vergleich zu eingangs erwähnter Studie auf niedrigere Zahlen. Hier spricht man von Effekten zwischen ein und drei Milliarden Euro für Deutschland und zwischen 80 bis 210 Millionen Euro für Österreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2018)

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