Tempolimit: Fakten sprechen gegen Fakten

++ THEMENBILD ++ VERKEHR/ STRASSENVERKEHR/AUTO/AUTOBAHN/STAU/MAUT
++ THEMENBILD ++ VERKEHR/ STRASSENVERKEHR/AUTO/AUTOBAHN/STAU/MAUT(c) APA/GEORG HOCHMUTH
  • Drucken

Nachts sollen Lkw bald schneller fahren dürfen. Auf allen Seiten fungieren Lärm und Sicherheit als Spielbälle für gute Gründe.

Trotz Ausnahmen: Das Nacht-Tempolimit für Lkw über 7,5 Tonnen soll auf Autobahnen generell von derzeit 60 auf 70 Kilometer pro Stunde gelockert werden und zugleich eine Stunde länger dauern. So will es Verkehrsminister Norbert Hofer. Die Regelung könnte bereits Anfang Sommer greifen – mittels Novelle der Straßenverkehrsordnung. Der Wirtschaft hilft es. Beendet ist die Diskussion um Lärm und Sicherheit damit aber nicht.

Unterschiedlicher Zugang

Je nach Couleur der Interessenvertreter fällt das Fazit anders aus: Die Abschaffung der generellen Höchstgeschwindigkeit sei keine Verschlechterung beim Lärmschutz, ist sich etwa Alexander Klacska sicher. Für den Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) ist dies ein „Faktum“, und er appelliert, „die Fakten für sich sprechen zu lassen und generell Tempo 80 für Lkw zuzulassen“. Markus Gansterer, Experte beim ökologisch orientierten Verkehrsclub Österreich (VCÖ) sagt hingegen: „Mit steigender Geschwindigkeit steigen auch die Lärmemissionen.“ Seine Aussage stützt ein Factsheet des Umweltbundesamtes, verfasst 2014 von Roman Ortner aus der Abteilung Mobilität und Lärm. Daraus geht hervor, dass schneller fahrende Lkw auch zunehmend lauter sind.

Was bei der Lärmdiskussion kaum durchdringt, Ortner aber im Detail beschreibt, sind die vom Straßenverkehr verursachten Gesamtemissionen an Lärm: Wie hoch der Gesamtpegel ist, hängt nicht nur von der Geschwindigkeit ab. Auch Fahrbahndecke und der Lkw-Anteil am gesamten Verkehrsaufkommen spielen eine große Rolle.

Unfallrisiko Tempounterschied

Beim Thema Verkehrssicherheit hingegen herrscht in der Sache Einigkeit – unabhängig von der Couleur der Interessengruppen: „Betrachtet man die Differenzgeschwindigkeit zwischen Lkw 60 km/h und Pkw 130 km/h auf einer Autobahn bei Nacht, so ist das ein großes Sicherheitsthema“, betont Klacska. Größere Tempounterschiede bringt auch Gansterer mit der Gefahr in Verbindung, „dass mehr gedrängelt wird“. Und auch bei den Transporteuren ist die Unfallgefahr der wichtigste Aspekt: „Das größte Problem bei der 60-km/h-Beschränkung in der Nacht sehe ich in der Verkehrssicherheit“, sagt Christian Spendel, Geschäftsführer des oberösterreichischen Unternehmens Petschl Transporte. „Fahren Sie einmal mit ihrem Pkw 60 km/h auf der Autobahn und beobachten Sie Ihren Stresspegel“, meint Spendel und empfiehlt, dabei einmal an den nachkommenden Pkw-Verkehr, „der mit einer Differenzgeschwindigkeit von 70 km/h auf Sie heranschießt“, zu denken. „Das ist der pure Horror für beide, Pkw und Lkw“, betont der Unternehmer.

Um Tempounterschiede zwischen Lkw und Pkw auf Österreichs Autobahnen in der Nacht zu reduzieren, gibt es zwei Wege: Entweder schwere Lastwagen dürfen schneller fahren, oder alle – auch Halter von Fahrzeugen unter 7,5 Tonnen – müssen langsamer fahren. Die Transportbranche setzt sich dafür ein, mit höherer Geschwindigkeit mehr Sicherheit zu schaffen: „Der Nacht-60er stellt ein Sicherheitsrisiko für den fließenden Verkehr dar“, sagt auch Alexander Friesz, Präsident des Zentralverbands für Spedition und Logistik. Daher sei Hofers Entscheidung für 70 km/h zwar ein richtiger Schritt, eine Erhöhung auf Tempo 80 sei jedoch auch wegen des „verminderten Unfallrisikos zielführender“.

Wechselwirkung Bahnverkehr

Und wie schaut es mit den Schadstoffwerten bei einem gelockerten Tempolimit aus? Diese fallen – trotz guter Argumente auf allen Seiten – eindeutig uneindeutig aus. Und zwar insbesondere dann, wenn weitere Verkehrsträger mit ins Spiel kommen. „Die Straße gegenüber der Schiene wird dadurch wieder attraktiver – was dem Ziel der Verlagerung im Güterverkehr widerspricht“, sagt VCÖ-Experte Gansterer.

So einer Aussage widerspricht die Argumentation von WKO-Bundesspartenobmann Klacska. Ihm zufolge belaste diese Regelung primär den regionalen Zustellverkehr– „der so oder so auf der Straße abgewickelt wird“ – und nicht den internationalen Transitverkehr, der die Nachtzeiten für die gesetzlichen Lenker-Ruhepausen nütze. Es sei durch ein gelockertes Tempolimit daher „keine Verschiebung zulasten der Schiene zu erwarten“. Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Sachlage für die Transportbranche eindeutig: Bei 80 km/h ist ein Lkw im „Flow“, wie es etwa Spendel formuliert. Das Fahrzeug sei auf diese Geschwindigkeit optimiert, „weil dort die ökonomischste Balance zwischen Energieaufwand und Fortbewegung liegt“, betont er.

AUF EINEN BLICK

Gesetzesnovelle. Bis zum Sommer soll eine Novelle auf den Weg gebracht werden, die Lkw über 7,5 Tonnen erlaubt, 70 km/h statt wie bisher 60 km/h zu fahren. Was bei Umweltschützern für Unverständnis sorgt, geht der Transportbranche nicht weit genug: Sie hofft mittelfristig auf den „Nacht-80er“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.