Reisen: Erholung im Schatten der Container

Für die Reise auf einem Frachtschiff sollte man sich viel Zeit nehmen. Im Bild: Ausfahrt aus dem Hafen von Miami.
Für die Reise auf einem Frachtschiff sollte man sich viel Zeit nehmen. Im Bild: Ausfahrt aus dem Hafen von Miami.(c) Getty Images (Torresigner)
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Als Passagier auf einem Frachtschiff die Welt zu bereisen ist Entschleunigung pur. Von der klassischen Kreuzfahrt ist diese Art des Urlaubs allerdings weit entfernt.

Zwei Computer und zwei Festplatten voll mit Literatur und Musik waren für Franz Ahamer und seine Frau, Julia, ein Muss im Urlaubsgepäck. Mitte August haben die beiden auf einem Frachtschiff eingecheckt, um von Rotterdam nach Philadelphia und retour zu reisen. „Wir wollten einmal ein paar Tage nur Meer sehen“, sagt Franz Ahamer. Vier Wochen hat die Reise gedauert, Erholung war garantiert. „Bei Frachtschiffreisen gibt es kein Tamtam“, sagt Birgit Falkenberg von der Reiseagentur Pfeiffer Frachtschiffreisen. Unterhaltungsprogramme sucht man auf diesen Schiffen nämlich meist vergeblich. Außer, die Mannschaft veranstaltet einen Karaoke-Abend oder ein Barbecue, an dem auch die Passagiere teilnehmen können.

Offline-Luxus

Durchorganisierte Landausflüge darf man sich ebenfalls nicht erwarten. „Läuft man in einen Hafen ein, wird man vom Kapitän informiert, wie lang er ungefähr zum Ent- und Beladen braucht“, erzählt Ahamer. Das können ein paar Stunden oder auch einmal ein Tag sein. Selbst die tägliche Reinigung der Kabinen oder der Wechsel der Handtücher stehen nicht zwingend auf dem Programm. „Vor allem bei Frachtschiffreisen, die nur eine Woche dauern, wird die Kabine nur vor Beginn der Reise und danach gereinigt“, sagt Falkenberg. Buffets, unter denen sich die Tische biegen, sind ebenfalls nicht zu finden. Hungern braucht jedoch niemand, es gibt Vollpension, meist gute Hausmannskost. Die Mahlzeiten werden mit den Offizieren gemeinsam in der Messe eingenommen.

Wer mit einem Containerschiff die Weltmeere befahren will, sollte demnach mit sich allein und dem Partner gut klarkommen. Von den Mitreisenden darf man sich keine allzu große Abwechslung erwarten – es sind nur einige wenige. „Oft gibt es nur zwei Passagierkabinen an Bord“, erzählt Falkenberg. Das können schon einmal die Kabinen des Eigners sein – Luxus ist in diesem Fall mitunter garantiert. Zum Luxus zählt für viele Reisende allerdings auch, dass Handy und Internet an Bord nicht funktionieren. „Es ist ein bisschen wie ein Eremitendasein“, sagt Ahamer. Technik- und Seefahrtsinteressierten würde dennoch kaum langweilig, ist er überzeugt. Anders als auf Kreuzfahrtschiffen dürfen sich die Mitreisenden nämlich auch auf der Brücke aufhalten. Für die Ahamers war die Fahrt nach Philadelphia übrigens die zweite auf einem Frachtschiff: Bereits im Vorjahr sind sie von Hamburg über Bremerhaven und durch den Nord-Ostsee-Kanal nach Schweden und zurück gefahren. „Diese einwöchige Reise war die Generalprobe für den diesjährigen Urlaub“, schmunzelt Technikfreak Ahamer.

Die Nachfrage nach dieser Art des Reisens sei ungebrochen, versichert Falkenberg. Doch nur wenige Reedereien würden ihre Schiffe dafür öffnen, zu groß sei bei manchen die Sorge vor Schwierigkeiten mit den Passagieren. Die übrigens – wie bei Kreuzfahrtschiffen – immer jünger werden. Dass sich nämlich auch Jüngere für diese Art des Reisens interessieren, hat eine Machbarkeitsstudie des Carl-Ritter-von-Ghega-Instituts für integrierte Mobilitätsforschung der FH St. Pölten gezeigt. „Das Projekt hat sehr große Aufmerksamkeit erzeugt. Das deutet stark darauf hin, dass diese Idee gut ankommt und ein Markt vorhanden ist“, sagt Institutsleiter Frank Michelberger. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend werden noch bis Ende September im Rahmen des Projekts Cargorider II ein Konzept und eine Plattform entwickelt, die Buchungen auf Frachtschiffen einfacher und günstiger, die Reiseplanung flexibler und das Reisen nachhaltiger machen soll.

Kosten nicht unterschätzen

Apropos Kosten: Wer glaubt, Urlaub auf dem Frachtschiff sei günstig, der irrt. „Die Kosten können sowohl über als auch unter jenen für eine Kreuzfahrt liegen“, erläutert Falkenberg. Sie weist weiters darauf hin, dass Frachtschiffreisen nicht für jedermann geeignet sind. „Man sollte gesund und uneingeschränkt gehfähig sein“, warnt die Expertin. An Bord gebe es nämlich keine ärztliche Versorgung, dafür aber viele Treppen. Und noch etwas sollten die Reisenden mitbringen: Flexibilität. Es gebe zwar Fahrpläne, von denen jedoch immer wieder abgewichen werde. Etwa dann, wenn die Ladung rascher als erwartet gelöscht wurde. „Die Fracht steht im Mittelpunkt und nicht der Passagier“, weiß Falkenberg. Anbieter:

www.frachtschiffreisen-pfeiffer.de

www.zylmann.de

www.seereisenportal.de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2019)

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