Mit Mininadeln gegen starke Schmerzen

Spritze / Injection
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Eine individuelle Injektionskur mit vielen kleinen Stichen ist die Mesotherapie, die nur von Ärzten durchgeführt werden darf. Einer 30-jährigen Migränepatientin hat diese Therapieform neue Lebensqualität beschert.

Da liegt man total fertig im Bett und denkt nur noch ans Sterben, jeder einzige Atemzug tut weh. Dann muss man aber immer wieder aufstehen und auf die Toilette rennen, weil man sich übergeben muss. Und jede noch so kleine Bewegung schmerzt zum Wahnsinnigwerden.“ Die schlimmsten Jahre hat Maria Oberegger hinter sich. Jahre, in denen ihr regelmäßige Migräneanfälle Lebensqualität raubten und sie immer wieder ins Bett zwangen. „In einem abgedunkelten Raum, nur nicht bewegen, nur kein Licht, keinen Lärm, alles tat immens weh.“

Kopfschmerzen kennt die heute 30-Jährige seit ihrer Kindheit. „Schon damals hatte ich mehr oder weniger regelmäßig Probleme damit.“ Dann kamen die Migräneanfälle, vor etwa elf Jahren gesellten sich Sehstörungen, Schwindel, Lichtblitze in den Augen dazu (Migräne mit Aura). „Ich war bei vielen Ärzten, habe vieles probiert, Akupunktur mit Dauernadeln, etliche Medikamente. Das meiste half nur kurze Zeit, dann ließ die Wirkung nach, schließlich gab es so gut wie gar keine Wirkung mehr“, erzählt die Landschaftsgärtnerin aus Gmünd in Kärnten. Ganz schlimm wurde es, so Maria Oberegger, als vor etwa vier Jahren Brechanfälle einsetzten. „Ich musste viele Pläne ändern, konnte oft nicht zur Arbeit, musste oft und oft Feste, Kinobesuche, Treffen mit Freunden absagen. Auf einer Amerika-Rundreise zum Beispiel habe ich von San Francisco gar nichts gesehen, eine schwere Migräneattacke fesselte mich ans Bett, ich konnte nicht aus dem Hotelzimmer.“ Das war 2010. „Bei der nächsten USA-Reise im Jahr 2013 musste ich keinen einzigen Tag aussetzen, das war toll“, erzählt die Kärntnerin.

Geholfen hat ihr der Villacher Arzt Andreas Pasnocht. „Ein Bekannter hat mir erzählt, dass Dr. Pasnocht Mesotherapie macht“, sagt Oberegger. Dabei handelt es sich, oberflächlich erklärt, um eine spezielle, individuelle Injektionskur mit vielen kleinen Stichen. Speziell sind einmal die Nadeln. „Die sind extrem klein und zart, vier bis zwölf Millimeter lang“, erklärt Pasnocht. Auch jene, die Angst vor Spritzen haben, brauchen sich also vor Mesotherapie nicht zu fürchten. Ebenfalls speziell: Es gibt tiefere und ganz oberflächliche Stiche. „Je tiefer, desto schneller wirkt das Mittel, desto rascher wird es aber auch wieder abtransportiert. Bei oberflächlichen Mikroinjektionen entsteht ein Hautdepot mit den Wirkstoffen, die nach und nach abgegeben werden“, so Pasnocht. Spezialität Nummer drei: Injiziert wird nach einem ganz bestimmten Stichmuster, an genau definierten Punkten, drei bis zehn Behandlungen sind die Norm.

Ganz individuell ist der Cocktail, der gespritzt wird – je nach Patientenpersönlichkeit, je nach Krankheitsbild und -dauer. Dazu bedarf es natürlich vorerst einer umfangreichen Anamnese mit ausführlichem Gespräch und klinischer Untersuchung. Liegen keine bildgebenden Befunde vor, werden Patienten im Bedarfsfall auch zu einer Computer- oder Magnetresonanztomografie geschickt, wo erforderlich, werden auch Laborbefunde eingeholt. Dann wird der individuelle Cocktail aus verschiedenen Wirkstoffen gemixt. Dazu gehören, je nach Indikation, Schmerzmittel, Lokalanästhetika, Antibiotika, Hormone, durchblutungsfördernde Substanzen, Pflanzenpräparate, Vitamine und mitunter auch Enzyme und homöopathische Mittel.


Geringe Wirkstoffmenge. „Ein großer Vorteil dieser Behandlungsart ist, dass die Wirkstoffmenge sehr gering ist und Magen- und Darmtrakt, Leber und Niere nicht belastet werden“, sagt Sabine Wied-Baumgartner, Präsidentin der österreichischen Gesellschaft für Mesotherapie. „Auch ein Patient, der etliche Medikamente nimmt, kann sich also gefahrlos einer Mesotherapie unterziehen, negative Nebenwirkungen gibt es kaum.“ Wohl aber Kritiker. Sie bemängeln etwa, dass der Nachweis der Wirksamkeit sowie die Studienlage zur Mesotherapie viel zu dünn seien. „Es gibt genügend Studien“, kontert Wied-Baumgartner. Vor allem aus Frankreich, wo die Mesotherapie ein schulmedizinisches Fach sei und wo es dafür ein Postgraduate-Studium an medizinischen Universitäten gebe, kämen etliche Studien. Die Situation in Österreich: „Wir haben bei der Ärztekammer um das Diplom eingereicht. Aber im Prinzip ist Mesotherapie ohnehin eine sanfte schulmedizinische Injektionstechnik und darf auch nur von Ärzten ausgeführt werden“, so Wied-Baumgartner.

Vor allem gegen Schmerzen. Das Einsatzgebiet der Mesotherapie ist vielfältig: von Osteoporose und Durchblutungsstörungen über Tinnitus bis zur Faltenbekämpfung und Polyneuropathie. Pasnocht: „Bei dieser Schädigung der Nerven habe ich wirklich tolle Erfolge erzielt.“ Erfolge hat die Nadelbehandlung auch und vor allem bei (chronischen) Schmerzen, „oft auch in jenen Fällen, wo nichts anderes mehr hilft“, betonen beide Ärzte unisono.

Bei Maria Oberegger hat ja auch nichts mehr geholfen. „Zum Schluss hatte ich schon richtig Angst, ja nahezu Panik. Wann wird die nächste Migräneattacke kommen, die nächsten Wahnsinnsschmerzen?“ Einige mesotherapeutische Behandlungen später: Die Anfälle sind viel seltener, viel schwächer geworden, Medikamente wirken wieder, es gibt keine Brechanfälle mehr. Die Angst ist verschwunden. „Ich gehe damit jetzt viel lockerer um. Mein Leben ist wieder unbeschwerter, ja, schöner geworden.“

Junge Therapie aus Frankreich: Viele Stiche, viele Einsatzgebiete

Mesotherapie ist eine spezielle Injektionstechnik mit vielen kleinen Stichen, die nur von Ärzten durchgeführt werden darf. Sie enthält Elemente aus der Akupunktur, aus der Neuraltherapie, aus der Arzneitherapie, kennt Reflexzonen und richtet sich vor allem gegen Schmerzen, aber auch andere Beschwerden. Dieses Verfahren wurde in Frankreich um 1960 entwickelt, ist aber auch in den USA und in Kanada verbreitet. In Frankreich ist sie als medizinische Therapie voll anerkannt. Täglich werden dort etwa 50.000 Mesotherapie-Sitzungen durchgeführt, die Kosten für Mesotherapie zur Behandlung von Schmerzen werden in Frankreich erstattet – in Österreich nicht, die Kassen erstatten maximal einen Teilbetrag retour. Eine Behandlung kostet 40 bis 50Euro pro Sitzung. Hierzulande ist die Mesotherapie noch nicht voll anerkannt. Derzeit gibt es Bestrebungen, dass die Ärztekammer ein entsprechendes Diplom verleiht.

Einsatzgebiete: akute und chronische Schmerzen (auch solche, die gegen Schmerzmedikamente resistent sind), Nervenleiden, Durchblutungsstörungen, schlecht heilende Wunden, rheumatische Erkrankungen, Tennisellbogen, Schwindel, Tinnitus, Osteoporose, kosmetische Medizin (Falten, Cellulite, Narben, Hautverjüngung).

Infos: Österr. Gesellschaft für Mesotherapie – www.mesotherapie.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2014)

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