Die sanfte Heilkraft der Kräuter

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Sie schützen vor Erkältungen, helfen beim Abnehmen und senken den Blutzucker. Kräuter wirken sich auf vielfältige Weise positiv auf den menschlichen Körper aus.

Veilchen gegen strapazierte Nerven, Lupinen gegen Hautunreinheiten, Kalmuswurzel bei Durchblutungsstörungen, Kamille bei Magenbeschwerden oder Regelschmerzen, Spitzwegerich gegen verstopfte Bronchien. Bereits in der Antike wusste man: Gegen so manches Leiden ist ein Kraut gewachsen.

Ägyptische Ärzte beispielsweise verwendeten schon in vorchristlichen Zeiten Thymian gegen Warzen und Olivenöl als Abführmittel. Obwohl oder gerade weil sie viel vom menschlichen Körper verstanden und schon kleinere Eingriffe vornahmen, vertrauten sie oft auch auf die Heilkraft von Pflanzen. Bis heute sind Arzneipflanzen ein untrennbarer Teil der Medizin. Insbesondere in den vergangenen Jahren haben das Wissen über Pflanzen als Heilmittel, deren Wirkung und Anwendungsmöglichkeiten enorm zugenommen. Beispielsweise wiesen erst vor Kurzem amerikanische Forscher nach, dass ein indisches Heilkraut die Blutzucker- und Insulinwerte ähnlich stark verringert wie gängige Medikamente. Extrakte der in Indien und Sri Lanka heimischen Pflanze Salacia oblonga senken demnach bei gesunden Menschen die Konzentrationen von Insulin und Blutzucker um bis zu 29 bzw. 23 Prozent. Starke Nebenwirkungen stellten die Wissenschaftler dabei nicht fest.

Konkret: Das Pflanzenextrakt lagert sich an bestimmte Enzyme des Verdauungstrakts an, die Kohlenhydrate zu Glukose abbauen. Binden diese sogenannten Alpha-Glukosidasen an das Pflanzenmittel, bauen sie weniger Kohlenhydrate ab, sodass weniger Glukose in den Blutkreislauf gelangt.

Die richtigen Kräuter können auch beim Abnehmen helfen. Nur ein Beispiel: Die Bitterstoffe in vielen Gewürzen wie Kurkuma, Gelbwurz und Basilikum sind der Gegenspieler von Süßgelüsten und unterdrücken Essattacken. Zudem wirken sich Gewürze besonders stark auf die Verdauung aus. Die Bitterstoffe aktivieren Leber und Galle, wodurch der Stoffwechsel angeregt wird. Nahezu alle Gewürze – vom Lorbeerblatt bis hin zu Senfkörnern – haben eine verdauungsfördernde Wirkung. Ganz besonders wird dieser Effekt Chili und Currymischungen nachgesagt. Das liegt vor allem an der Schärfe, die auch indirekt für einen Fatburning-Effekt sorgt: Wegen der Schärfe isst man langsamer und kaut besser – gleichzeitig hat man mehr Durst und trinkt größere Mengen. Mit der auf vielfältige Weise beruhigenden und heilenden Kraft von Kräutern beschäftigt sich auch Benedikt Felsinger in seinem neuen Buch „Für Leib und Seele – Tipps vom Kräuterpfarrer“. Den Titel „Kräuterpfarrer“ erbte der Seelsorger und Pflanzenexperte von seinem großen Vorbild und Lehrer Hermann-Josef Weidinger, der 2004 gestorben ist. In seinem Buch stellt der Seelsorger 77 heimische Pflanzen und Kräuter und ihre Wirkungen auf Leib und Seele vor.

Im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“ warnt der 49-Jährige aber davor, Heilkräuter als Wundermittel zu betrachten. So beginnt auch sein Buch mit dem Hinweis: „Dieses Buch dient zur Information und Inspiration. Es ersetzt keinesfalls medizinischen Rat oder Behandlung.“


Kein Leistungsdenken. „So sehr das auch gewünscht und beschworen wird, darf man die Pflanzen keinem Leistungsdenken unterziehen, indem man dieselben Wirkungen erwartet wie von starken Medikamenten“, sagt Felsinger. „Aber: Letztere haben großteils Nebenwirkungen, die den Körper negativ beeinträchtigen können.“ Daher sei auch in der Allgemeinmedizin die immer stärkere Besinnung auf traditionelle Heilmethoden zu beobachten, aus denen die Heilkräuter nicht ausgeklammert werden könnten. „Egal, ob es sich dabei um fernöstliche Erfahrungen oder um europäisches Erbe handelt: Überall zieht man die Pflanzen gleichsam zurate, damit der Mensch eine ihm gerechte Hilfe erfährt.“

Ihm ist auch wichtig zu bekräftigen, dass Pflanzen nicht auf ihre bloße Heilkraft reduziert werden. „Bereits das bewusste Wahrnehmen der Natur und ihrer Gewächse kann sich positiv auf den Menschen auswirken“, so Felsinger. Es sei unbestritten, dass Pflanzen eine Ausstrahlung besitzen und untereinander sowie mit ihrer Umwelt kommunizieren können. Als „technisch verbildete Menschen des 20. und 21. Jahrhunderts“ falle es uns schwer, uns selbst als Bestandteil des ganzen Schöpfungsgefüges zu akzeptieren. „Aber der Grenzbalken dieses Denkens ist immer mehr am Zugehen. Mit ein wenig Sensibilität erkennen Menschen, dass man mit Blumen sprechen kann.“ Beispielsweise habe die Wissenschaft längst bestätigt, dass das Wachstum von Pflanzen bei Beschallung mit unterschiedlichen Musikstilen jeweils anders voranschreitet.

„In diesem Zusammenhang sollten wir die Welt als Ganzes erfahren“, betont der 49-Jährige. „Mir persönlich helfen Pflanzen in jeder Lebenslage auf die Sprünge. Etwa, wenn ich auf der Suche nach dem Sinn des Lebens bin. Sie lassen mich in keinem Leiden allein. Den Leib genauso wenig die Seele. Sie sind Mitgeschöpfe und Lebewesen.“

Grüne Medizin

Heilmittel früher und heute.
Arzneipflanzen sind seit der Antike ein untrennbarer Teil der Medizin. Insbesondere in den vergangenen Jahren nahm das Wissen über Pflanzen als Heilmittel enorm zu. Beispielsweise wiesen erst vor Kurzem amerikanische Forscher nach, dass ein indisches Heilkraut die Blutzucker- und Insulinwerte ähnlich stark verringert wie gängige Medikamente.

Abnehmen mit Kräutern.
Kräuter können auch beim Abnehmen helfen. Die Bitterstoffe in vielen Gewürzen wie Kurkuma, Gelbwurz und Basilikum sind der Gegenspieler von Süßgelüsten und unterdrücken Essattacken. Zudem wirken sich Gewürze stark auf die Verdauung aus. Die Bitterstoffe aktivieren Leber und Galle, wodurch der Stoffwechsel angeregt wird.

Steckbrief

Person. Benedikt Felsinger O. Praem. wurde 1965 geboren, ist 1984 in das Stift Geras eingetreten und wirkt als Seelsorger in den Pfarren rund um das Kloster. Er war ein enger Mitarbeiter von „Kräuterpfarrer“ Hermann-Josef Weidinger und ist an der Weiterführung seines Werkes im Verein „Freunde der Heilkräuter“ maßgeblich beteiligt.

Buch. „Für Leib und Seele – Tipps vom Kräuterpfarrer“ ist im Amalthea-Verlag erschienen und kostet 19,95 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2014)

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