Gefährlich: Hygienemängel im Spital

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Symbolbild(c) REUTERS (FABIAN BIMMER)
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Krankenhauskeime töten in Österreich rund 1500 Menschen jährlich. Mindestens 300 sterben allein deswegen, weil das Spitalspersonal die Handhygiene sträflich vernachlässigt. Auch Checklislten würden helfen.

Als „gefährlichsten Ort der Welt“ bezeichnete der medizinkritische Journalist und Buchautor Kurt Langbein einmal das Krankenhaus. Auch der bekannte Gesundheitsökonom Christian Köck meint, dass Krankenhäuser mitunter gefährliche Orte seien. Wahr ist: Auf der einen Seite werden in Spitälern viele Leben gerettet, auf der anderen Seite droht Gefahr infolge unzureichender Hygienestandards: Sehr viele Patienten stecken sich mit Krankenhauskeimen an – 55.000 bis 60.000 sind's jährlich in Österreich, etwa 1500 sterben daran. Die Zahlen für die EU: Rund 4,1 Millionen Patienten werden jährlich durch Krankenhauskeime infiziert, für etwa 37.000 endet das tödlich.

Mindestens 40 % vermeidbar

Diese Klinikkeime wären nicht immer, aber häufig vermeidbar – wie auch mindestens 40 Prozent der Todesfälle in ihrem Gefolge. Etwa durch simple Handhygiene, an die sich aber rund 70 Prozent des Krankenhauspersonals nicht hält. Das besagen internationalen Daten. „Allein mangelnde Handhygiene verursacht in Österreich mindestens 300 Tote jährlich“, kritisiert Norbert Pateisky, der sich die Patientensicherheit in Österreichs Spitälern auf seine Fahnen geheftet hat. Pateisky hat im Rahmen seiner Arbeit mit der Assekurisk-AG (www.assekurisk.eu) den „Hygiene-Kopiloten“ enwickelt, ein einfaches Konzept, welches die Zahl der Infektionen signifikant reduzieren konnte. Täglich wird jemand, der bei der Visite mitgeht, zum „Hygiene-Kopilot“ des Tages ernannt. Er hat die Aufgabe, das Krankenhauspersonal – Ärzte wie Krankenschwestern und Pfleger – jedesmal, wenn Hände desinfiziert werden sollten, daran zu erinnern.

Aufholbedarf bei Spitalshygiene

„Die Hände sind die häufigsten Überträger von Krankheitserregern“, sagt auch Elisabeth Presterl, Leiterin des Klinischen Instituts für Krankenhaushygiene an der Medizinischen Universität Wien, in einem Interview in der „Österreichischen Ärztezeitung“.

Eine weitere Möglichkeit der Keimreduzierung und damit der Patientensicherheit wäre die Einführung von Checklisten. Derlei Listen sind einfach und wirkungsvoll, dennoch verweigern sie viele Krankenhäuser. Und das, obwohl zahlreiche Studien auf die Effizienz derartiger Checklisten verweisen. Vor sechs Jahren schon hat der Arzt und Wissenschaftler Peter Pronovost von der Johns Hopkins University gezeigt, dass das Auftreten von katheter-assoziierten Bakteriämien (das Eindringen der Bakterien in die Blutbahn wie zum Beispiel nach einem Abszess) auf Intensivstationen durch die Befolgung fünf einfacher, auf einer Checkliste vermerkten Regeln um sage und schreibe zwei Drittel gesenkt werden kann.
„Wir wissen, dass Österreichs Spitäler im Bereich der Hygiene durchaus Aufholbedarf haben“, kritisiert auch Gerald Bachinger, Sprecher der österreichischen Patientenanwälte.

Handhygiene ist zum Beispiel eine wirkungsvolle Maßnahme gegen die Verbreitung von MSRA, einer bakteriellen Spitalsinfektion, die gegen sehr viele Antibiotika resistent ist. Symptome sind in den meisten Fällen Hautinfektionen und Muskelerkrankungen, bei einem ungünstigen Verlauf kann aber auch eine Lungen- beziehungsweise Herzentzündung zum Tod führen.

Hohe Sterblichkeit

Infektionen mit MSRA haben in den letzten Jahren aber an Bedeutung verloren. „Bis zu dreimal so häufig treten heute Infektionen mit Clostridium difficile auf, die vor allem in Krankenhäusern, Altenheimen und anderen Langzeitpflegeeinrichtungen ein erhebliches Problem darstellen“, meint Christoph Wenisch, Vorstand der 4. Medizinischen Abteilung mit Infektions- und Tropenmedizin am Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital. „Derlei Infektionen haben seit Beginn des Milleniums zugenommen und bleiben seit etwa fünf Jahren auf einem hohen Plateau. Die Sterblichkeit der Clostridium-difficile-Infektion liegt bei zehn bis 30 Prozent und ist damit höher als bei Herzinfarkten.“

Eine Clostridium-difficile-Infektion (CDI) ist eine klassische Infektionserkrankung des Alters, die Menschen ab 65 betrifft. „Junge Menschen bekommen die nicht, außer ihr Immunsystem ist stark geschwächt, etwa durch eine Chemotherapie.“ Die Bakterien werden entweder eingeatmet, eine Infektion ist aber auch häufig Folge einer Therapie mit einem Breitbandantibiotikum.
„Breitbandantibiotika machen ja alle Bakterien kaputt, auch die gesunden Darmbakterien. Die Darmflora ist also massiv beeinträchtigt, und so kommt es immer wieder vor, dass von den schädlichen Clostridien mehr überleben und die dann zu wuchern beginnen. Sie haben ja keine gesunde Konkurrenz mehr. Außerdem sind sie resistent gegenüber einer Vielzahl von Antibiotika.“

Neues Medikament

Clostridien verursachen schwere Durchfälle, die im schlimmsten Fall zu Bauchfellentzündungen, Nierenversagen, septischem Schock und Tod führen können. Ein weiteres großes Problem einer Infektion mit Clostridium difficile sei die hohe Rezidivrate, „bei 20 bis 50 Prozent der Patienten kommt diese Krankheit immer wieder“.

Ein neues Medikament mit dem Wirkstoff Fidaxomicin, welches gezielt Clostridium difficile abtöte und daher die gesunde Darmflora weniger schädige, könne diese Rezidivrate um 50 Prozent senken. „Das ist schon ein tolle Bilanz“, betont Wenisch, „vor Kurzem hat der Einsatz des neuen Präparats im klinischen Alltag begonnen. Nach 20 Jahren endlich wieder eine erfreuliche Innovation im Bereich der Clostridium-difficile-Infektionen.“

Auf einen Blick

Krankenhauskeime: Rund 60.000 Österreicher stecken sich jährlich damit an, 1500 sterben, in der EU sind es 37.000. Mindestens 40 % der Todesfälle wären vermeidbar.
Weil das Spitalspersonal Handhygiene sträflich vernachlässigt, sterben mindestens 300 Österreicher im Jahr.

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