Allah im Kindergarten

Die Presse
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Ein Projektbericht im Auftrag des Integrationsministeriums wirft muslimischen Kindergärten vor, Parallelgesellschaften aufzubauen. Belegen lässt sich das nur schwer.

Geht es nach dem Rathaus, gibt es keinen einzigen muslimischen Kindergarten in Wien. Das Argument: Die Islamische Glaubensgemeinschaft betreibt keinen, von den restlichen privaten wird die Konfession nicht erhoben. Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) sieht das anders: Er schätzt die Zahl der muslimischen Kindergärten in der Hauptstadt auf 150. Dabei stützt er sich auf den Religionspädagogen Ednan Aslan (Uni Wien), der das Thema 2014 aufbrachte, indem er sagte, Wien hätte mehr salafistische Kindergärten als jede andere Stadt in der EU.

Am Freitag präsentierte Aslan nun das Zwischenergebnis eines „qualitativ-empirischen Forschungsprojekts“, das er im Auftrag von Kurz durchführte. Noch immer bleibt Aslan bei Schätzungen: 150 islamische Kindergärten sowie 450 islamische Kindergruppen soll es in Wien geben. Circa 10.000 Kinder würden sie besuchen. Organisiert wird das über 127 Betreibervereine.

Die Zahl der Befragten für seine Untersuchung ist klein. Nur fünf Kindergärten ließen sich auf ein Gespräch mit Aslan ein – andere hätten nicht geantwortet oder sich geweigert. 24 weitere Kindergärten und -gruppen hätte er anhand des Vereinsregisters sowie Flyern, Aussagen auf der Homepage etc. analysiert. Dazu kamen Gespräche mit Eltern (neun an der Zahl), deren Kinder muslimische Kindergärten besuchen oder besucht haben. Auch drei Ex-Mitarbeiterinnen wurden befragt. 

Aslans Fazit: 20 Prozent der von ihm untersuchten Kindergärten (in absoluten Zahlen also sechs) seien als salafistisch einzustufen. 25 Prozent seien „normal“, und die restlichen 55 Prozent hätten Tendenzen, die Kinder durch Religion „von der Gesellschaft zu isolieren“. In seinem Resümee schreibt er, dass vor allem „konservativ eingestellte Eltern“ ihre Kinder in muslimische Kindergärten geben. Unter den Motiven: Halal-Essen und der Wunsch, die Kinder vor dem „moralischen Einfluss der Mehrheitsgesellschaft zu schützen“.

Islamisches Umfeld

In diesen Kindergärten würde gezielt ein islamisches Umfeld geschaffen. In den von ihm analysierten Kindergruppen seien die Betreuerinnen (nicht zu verwechseln mit Pädagoginnen) ausschließlich muslimisch. Ihre Ausbildung erfolge zum Teil über eigene Verbände. Als Beweis führt er ein drei Jahre altes YouTube-Video an, in dem Abdullah Polat, Gründer des Bildungszentrums Erbiz, dem türkischen Fernsehen berichtet, Betreuerinnen mit 120 Stunden Theorie und 36 Praxisstunden auszubilden. Aslan macht schwerwiegende Vorwürfe: Fast alle analysierten Kindergärten hätten ein Curriculum, das der Stadt Wien zum einen nicht vorgelegt wird und zum anderen von jenem einer „Koranschule kaum zu unterscheiden“ sei.

Dafür liegen der Studie zwei Kopien von Lehrplänen bei (Herkunft und Erstellungsjahr unbekannt): In einem sollen Kindern die 99 Namen Allahs beigebracht werden, dazu Gebete und Suren. Der andere behandelt sehr allgemein den Glauben an Allah, Propheten und Engeln und erklärt, dass „Fasten gut für den Körper“ sei. Mehr Belege zitiert Aslan nicht, bei anderen Kindergärten stützt er sich gänzlich auf Erzählungen. Ein Vater berichtet, dass sein Sohn im Kindergarten Suren auswendig gelernt haben soll. Außerdem führt Alsan ein YouTube-Video an, in dem Kinder ein religiöses Lied singen und dazu tanzen.

Religion „kindgerecht“ erlaubt

Laut Herta Staffa, Sprecherin der MA11 (Familie und Jugend) sei religiöse Erziehung im Kindergarten nicht per se verboten. Sie müsse nur kindergerecht sein. Gemeinsam beten, singen, tanzen und über Gott reden sei erlaubt. „Wir wollen aber keinen frontalen Schulunterricht im Kindergarten“, sagt Staffa. Auch strafende Gottesbilder seien nicht kindergerecht. Sie werden laut Aslans Projektbericht aber verwendet. „Nur ein Dummkopf kann die Strafe Allahs nicht fürchten“, heißt es in einem Lernaudiofile das ein muslimischer Kindergarten auf seine Homepage gestellt hat.

Zu einem Rundumschlag holt Aslan auch bei den Betreibervereinen aus. Einer von ihnen soll der islamistischen Muslimbruderschaft nahestehen. Dazu verweist Aslan aber auf Quellen, „deren Wahrheitsgehalt an dieser Stelle nicht überprüft werden kann“. Ein Mitglied eines anderen Betreibervereins soll im Vorstand des Islamologischen Instituts sitzen, dessen religiöse Vorstellungen sich laut Aslan von „salafistischem Gedankengut“ kaum unterscheiden ließen. Andere Kindergärten wiederum sollen der konservativen, türkischen Milli-Görus-Bewegung nahestehen.

Integrationsminister Kurz bezeichnet die Ergebnisse als besorgniserregend. Er fordert bessere Ausbildung für Kinderbetreuerinnen und Entkoppelung von auffälligen Trägervereinen. Diese sollen „keine staatlichen Förderungen mehr erhalten“, sagt Kurz. Weiters sollen die Kindergärten besser kontrolliert und als islamisch registriert werden, sobald ein Trägerverein sich so bezeichnet. „Wir müssen weg von einer Politik des Wegschauens“, so Kurz.
Doch wo will der Staat hinschauen? Koscheres Essen, „jüdisch- und hebräisches Lernprogramm“ gibt es auch in jüdischen Kindergärten in Wien. Kurz will das nicht vergleichen. Die jüdische Community sei kleiner und habe keine Problem auf dem Arbeitsmarkt. Aslan hingegen sagt: „Egal, welche religiöse Einrichtung: Wenn sie Kinder zur Isolation erziehen, ist es gefährlich. Ultraorthodoxen Juden, so wie ich sie erlebt habe, sind Salafisten nicht unähnlich.“

Die Stadt Wien wartet bereits auf den Projektbericht. Jeder Kindergartenbetreiber werde vom Verfassungsschutz überprüft, heißt es aus dem Büro von Stadträtin Sonja Wehsely (SPÖ). Und: Man habe Aslan schon 2014 gebeten, Details über die 150 muslimischen Kindergärten zu übermitteln. Eine Antwort sei nicht gekommen.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2015)

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