Schauspieltrainerin mit polnischem Akzent

Grażyna Dyląg hat es als Migrantin zu einer Professur am Max Reinhardt Seminar gebracht – ein Porträt.

Ich habe Akzent, das hört man“, sagt Grażyna Dyląg, Professorin am Institut für Schauspiel und Schauspielregie am Max Reinhardt Seminar in Wien, „und daran erkennen mich meine Studenten.“ Für die gebürtige Polin ist ihr Akzent kein Hindernis, um Schauspielkunst zu unterrichten.

„Ein Schauspieler muss seine Rolle verstehen und ich helfe ihm dabei“, erzählt Dyląg, „vor allem muss er die Taten und die Beweggründe des Protagonisten nachvollziehen können.“ Dyląg nennt es die Wahrheitsfindung. Natürlich ist Sprache dabei wichtig, aber die Sprachausbildung liegt nicht in ihrer Hand, nur die Schauspielausbildung und das geht nur, wenn der Lehrer ganz nah an seinem Schüler ist: ihn kritisiert und ermahnt, viel von ihm verlangt und kein falscher Diplomat ist.

Nicht entwurzeln lassen

Dyląg gehört einer alten Schauspielschule an: „In Polen hat man die Schauspielkunst als Handwerk verstanden, das viel Arbeit und viel Entwicklung verlangt.“ Genau das will sie ihren Studenten beibringen. Ihre polnische Seele spielt dabei eine wichtige Rolle. Entwurzeln, das will sie sich nicht lassen. „Ich hätte nicht leben können ohne meine polnische Identität.“ Das ist auch in ihrem Ausbildungsprogramm sichtbar: Polnische Literatur spielt dort eine wichtige Rolle, ob Gombrowicz, Mrożek, Grotowski oder Kantor.

Aber rein polnisch will sie sich nicht sehen: „Ich bin Österreicherin geworden, ich liebe die Alpen, die Kultur, die Werte.“ Den österreichischen Pass hat sie, wie sie es ausdrückt, geschenkt bekommen und angenommen, weil sie ihren polnischen behalten dürfte. Dieses Privileg bekommen nur wenige, die der Republik besondere Verdienste erwiesen haben.

Wenn sie Urlaub macht, bleibt sie in Österreich. „Meine polnischen Freunde sagen, dass ich austrophil bin, aber ich kann nicht anders.“ Dabei war sie viele Jahre Emigrantin. Im Sommer 1981 kam sie nach Berlin, um einen Werbespot für Bonbons zu drehen. Sie verdiente schnell ein Gehalt, für das sie in Polen am Nationaltheater drei Jahre hätte arbeiten müssen. Man wird auf die junge Polin aufmerksam. Sie modelt für Yves-Saint-Laurent, dreht ein paar andere Spots. Über den Kriegszustand im Dezember 1981 erfährt sie aus den Medien. Sie will gern nach Polen zurück. Man hat sie für Proben für die nächste Saison bereits zugeteilt. Sie kommt aber nicht zurück, zu groß ist die Angst vor der Internierung. Viele ihrer Freunde landen im Gefängnis. Dyląg ist in Polen bereits eine bekannte Schauspielerin. Ihr Wunsch war aber immer die Regie. In Berlin bekommt sie eine Dozentur. Man rät ihr aber, sich für eine Gastprofessur in Salzburg zu bewerben. „Ich habe mich sehr gut vorbereitet, obwohl ich noch nicht so gut deutsch konnte, habe einiges auf Englisch vorgetragen.“

Heino Ferch als Schüler

Sie setzt sich gegen alle Bewerber durch und wird Gastprofessorin am Mozarteum, mit gerade mal 28 Jahren. Einer ihrer ersten Schüler ist Heino Ferch. „Er war eine große Überraschung für mich“, sagt sie. Ferch wird schnell berühmt. Für Dyląg geht es nach Berlin zurück, aber die Liebe zu Österreich bleibt. Eines Tages kommt ein Angebot aus Wien, eine Professur am Max Reinhardt Seminar. „Ich habe mir Wien angeschaut und bin geblieben.“ Als Emigrantin fühlt sie sich nicht mehr. „Ich bin eine Europäerin geworden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2010)

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