Kritiker: Rassismus fehlt im Integrationsbericht

(c) FABRY Clemens
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Im aktuellen Papier des Innenministeriums werden keine Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus vorgeschlagen. Das ruft Kritiker auf den Plan. Die Studienautoren orten eine ideologisch geführte Debatte.

Vergangene Woche wurde der neue Integrationsbericht präsentiert. Nun melden sich Wissenschaftler und Praktiker zu Wort, die kritisieren, dass sich im Bericht keinerlei Vorschläge zur Bekämpfung von Rassismus finden. Obwohl gerade Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen dem gesellschaftlichen Zugehörigkeitsgefühl entgegenwirken.

So hält der Antirassismusverein Zara in einer Stellungnahme fest, dass „die schwachen Lippenbekenntnisse im Nationalen Aktionsplan für Integration definitiv nicht ausreichen, um Rassismus und Diskriminierungen zu bekämpfen“. Vielmehr verlange es nach einem Bekenntnis, dass Diskriminierungen keine „Kavaliersdelikte“ sind. Dass die Agenda des Expertenrats Rassismus nicht beinhaltet und Experten aus dem Bereich Antidiskriminierung, wie etwa der Gleichbehandlungsanwaltschaft, NGOs und migrantischen Selbstorganisationen nicht aktiv miteinbezogen würden, sei zu kritisieren.

Heinz Fassmann, Vorsitzender des Expertenrats, ortet hier hingegen einen Reflex zu ideologisch geführten Debatten und „institutionspolitischem Egoismus“, weil sich Zara selbst zu wenig berücksichtigt fühle.

Zeitdruck bei Erstellung

Eine klare Linie bezüglich Rassismus vermisst allerdings auch der Sozialwissenschaftler und Publizist Ljubomir Bratic, der das Fehlen „einer antirassistischen Position“ und „demokratiepolitisch mehr als notwendiger Maßnahmen gegen den eklatanten politischen Ausschluss der Migranten“ anprangert. Den Bericht selbst bezeichnet er als eine „psychologische Maßnahme zur Gewissensberuhigung der Mehrheitsgesellschaft“.

Im Arbeitsprogramm des Expertenrats, das dem Bericht vorangegangen war, findet man nämlich sehr wohl deutliche Worte gegen „Rassismus, Extremismus, Verhetzung und Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund“. Im Bericht sei das Thema nämlich in der Tat „unterbelichtet“, räumt Kenan Güngör, Mitglied des Expertenrats, ein. Zeitdruck sei einer der Gründe, warum Rassismus keinen Einzug in den Integrationsbericht gefunden habe. Aber Maßnahmen gegen Diskriminierung zögen sich quer durch das Papier, so Güngör. Man versuche zudem nicht von Diskriminierung zu sprechen, sondern von Chancengleichheit. Genau die sieht Alexander Pollak von SOSMitmensch mit dem Integrationsbericht nicht auf den Weg gebracht. Ein Integrationsbericht, in dem Rassismus und Diskriminierung mit keinem einzigen Wort Erwähnung finden, sei „bedenklich“ und leiste keinen Beitrag für Gleichberechtigung.

Grundsätzlich werde Diskriminierung überbewertet, wenn es um Benachteiligung geht, meint Güngör. Eine zentralere Rolle spielen demnach nicht Rassismus, sondern fehlende Netzwerke und ungleiche Startbedingungen. Trotzdem ortet er in Bezug auf Rassismus Handlungsbedarf. Auch Studien würden beweisen, dass in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern noch ungleich mehr zu tun ist. Rassismuserfahrungen seien kontraproduktiv für Zugehörigkeitsgefühl und Integration, so der Soziologe. Doch habe der Auftrag des Innenministeriums an den Expertenrat gelautet, Maßnahmen entlang der sieben vorgegebenen Schwerpunkte des Nationalen Aktionsplans Integration zu entwickeln.

Nur Migranten im Visier?

Das stört jedoch die Wissenschaftler der Forschungsgruppe Kritische Migrationsforschung (KriMi). Sie vermissen Vorschläge, die beinhalten, wie strukturellem Rassismus entgegengewirkt werden kann und merken an, dass Pflichten und Sanktionen fast immer und ausschließlich Migranten betreffen. „Wenn Integration ein doppelseitiger Prozess ist, stellt sich die Frage, inwieweit der Bericht die Verantwortung der unterschiedlichen Akteure berücksichtigt“, so die Stellungnahme von KriMi.

Diese Meinung vertritt auch Pascal Ndabalinze, Obmann von Enara (European Network Against Rasicm-Austria). Der Bericht verkörpere das österreichische Verständnis von Integration, welches von Anpassungsbemühungen von Migranten ausgehe. Diese müssten sich von der Mehrheitsgesellschaft „wie von Schiedsrichtern“ bewerten lassen. Vielmehr brauche es Bemühungen auf Seiten der Einheimischen.

Heinz Fassmann kann die kritischen Stimmen nicht nachvollziehen. „Man kann diese 20 Maßnahmenpunkte kritisieren und zerlegen. Nur leistet man der Integration damit keinen guten Dienst. Gehen wir doch Schritt für Schritt vor, bevor wir sagen, alles ist schlecht.“

In seiner Gesamtheit wird der Integrationsbericht von den Kritikern allerdings gar nicht abgelehnt. Neben der grundsätzlichen Auseinandersetzung mit Integration werden die Bemühungen um die Förderung von Deutschkenntnissen geschätzt. Natürlich fänden sich im Integrationsbericht auch positive Dinge, so Ndabalinze, aber dafür fehle es an Maßnahmen, die der Mehrheitsgesellschaft Orientierung bieten und aufzeigen, wie ihre Bemühungen im Integrationsprozess auszusehen haben.

Aber was nicht ist, kann vielleicht noch werden. Expertenratsvorsitzender Fassmann signalisiert nämlich Gesprächs- und Handlungsbereitschaft: „Der Bericht ist nicht in Stein gemeißelt.“

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.integration.at
www.zara.or.at

Auf einen Blick

Heinz Fassmann (Foto) ist Vorsitzender des Expertenrats zur Integration. Der Expertenrat hat für das Innenministerium den jüngsten Integrationsbericht erstellt. Wissenschaftler und Vertreter von Non-Profit-Organisationen werfen den Autoren nun vor, das Thema Rassismus im aktuellen Bericht nicht ausreichend gewürdigt zu haben. Immerhin sei Rassismus ein Grund dafür, dass sich viele Migranten bei der Integration schwertäten. Fassmann weist die Kritik stellvertretend für den Expertenrat zurück. Er vermutet vielmehr, dass sich die Kritiker nun dafür rächen, dass sie bei der Berichtserstellung zu wenig berücksichtigt wurden. [Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2011)

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