Angelo Soliman: Umstrittene Symbolfigur

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Von Sklavenhändlern aus Afrika verschleppt, machte Angelo Soliman im Wien des 18. Jahrhunderts eine durchaus erstaunliche Karriere – und wurde von der Wiener Gesellschaft dennoch vor allem als „Wilder“ betrachtet.

Wien. Als „Toleranzpokal der Gesellschaft im 18. Jahrhundert“ werde er herumgereicht, meint Araba Johnston Arthur, Obfrau von Pamoja, der Bewegung der jungen afrikanischen Diaspora in Österreich. Die Rede ist von Angelo Soliman, jenem Afrikaner, der von Sklavenhändlern verschleppt wurde, schließlich in Österreich Karriere machte und 1796 hochgeachtet starb. Immer wieder muss Soliman als Beispiel dafür herhalten, wie ein Afrikaner sich im aufgeklärten Wien des 18. Jahrhunderts behaupten konnte – andererseits wurde er von genau derselben Gesellschaft, die sich mit ihm schmückte, auch als „Wilder“ präsentiert.
Eine Ausstellung im Wien Museum, die am 29. September startet, widmet sich der ambivalenten Symbolfigur. Soliman wurde um 1721 im subsaharischen Afrika geboren. Im Alter von etwa acht Jahren wurde er von Sklavenhändlern geraubt, nach Nordafrika verschleppt und zunächst an eine sizilianische Adelsfamilie verkauft.
Wie viele andere Afrikaner, die im 18. Jahrhundert als Sklaven nach Europa verschleppt wurden, war er damit der Überlebende einer „blutigen Deportationsgeschichte“, bei der „Menschen zu Dingen gemacht wurden“, wie es Johnston-Arthur formuliert.

Orientalisierender Nachname

Solimans ursprünglicher Name ist unbekannt. Er wurde zwangsgetauft mit christlichem Vornamen und orientalisierendem Nachnamen – so wie zehntausende Afrikaner, die über die Jahrhunderte hinweg geraubt und an europäische Höfe verkauft wurden: In exotisierender Uniform mussten sie dort ihren Dienst versehen.
In diesen Menschenhandel waren auch die Habsburger involviert. So ist Angelo Solimans österreichische Geschichte ab 1754 belegt: Er ist nun Kammerdiener am Hof des Fürsten Joseph Wenzel von Liechtenstein in Wien. Bei Hof muss er sich gegen zahlreiche Diskriminierungen behaupten – etwa gegen das Verbot, eine eigene Familie zu gründen. Mit Geld, das er beim Glücksspiel gewinnt, kauft er ein Haus in der ärmlichen Vorstadt und heiratet 1768 die Österreicherin Magdalena Christiano – zur Strafe wird er entlassen.

In Kontakt mit Mozart

1772 wird seine Tochter Josephine geboren, und erst 1773 tritt Angelo Soliman wieder in ein – diesmal bezahltes – Dienstverhältnis am Hof des Fürsten ein. Ein weiterer Schritt der Emanzipation gelingt ihm 1781: Er wird Funktionär der elitären Freimaurer-Loge „Zur wahren Eintracht“, wo er unter anderem mit Mozart verkehrt.
Zwei Wochen nach seiner Beerdigung im Jahr 1796 wurde sein Leichnam exhumiert, seziert, gehäutet und ausgestopft. Er wurde im kaiserlichen Hof-Naturalienkabinett als „edler Wilder“ mit Federkleidung und Knochenkette zum exotischen Schauobjekt gemacht. Seine Tochter Josephine setzte alle Hebel in Bewegung, um eine würdevolle Bestattung ihres Vaters zu erreichen – vergeblich. Heute sei Josephine Solimans Kampf „Teil einer über den österreichischen Kontext weit hinausgehenden Widerstands- und Oppositionsgeschichte“, meint dazu Araba Johnston-Arthur.
Denn die Geschichte der afrikanischen Diaspora in Österreich ist geprägt vom Versuch der Selbstbehauptung gegen Diskriminierung im Alltag einerseits und gegen die Reduktion auf Exotik andererseits: Waren es im achtzehnten Jahrhundert die Sklaven bei Hof, so waren es im neunzehnten Jahrhundert „exotische“ Hausangestellte, die von Handelsreisenden und Missionaren „mitgebracht“ worden waren.
Vor allem für Afroamerikaner in Österreich gab es noch eine andere Nische: Prekäre Jobs in der Unterhaltungsindustrie als „exotische Menschen“ im Zirkus und auf Jahrmärkten. Ende des neunzehnten Jahrhunderts mussten sich Afrikaner in „Menschenschauen“ ihr Geld verdienen – etwa in den Wiener „Aschantidörfern“. Ein weiteres zentrales Kapitel der afrikanisch-österreichischen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts ist die oft verschwiegene politische Verfolgung und Ermordung von Schwarzen und sogenannten „Mischlingen“ im Nationalsozialismus.

Diskriminierung auch heute

Heute leben etwa 40.000 Menschen afrikanischer Herkunft in Österreich. Für sie ist auch heute Selbstbehauptung ein Thema – nicht nur gegen exotische Klischees, sondern auch gegen Diskriminierungen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, gegen die Kriminalisierung als „Drogendealer“, gegen rassistische Schmierereien und gegen Polizeigewalt.
„Wie Angelo Soliman werden auch heute schwarze Menschen in Österreich diskriminiert und als exotische Objekte betrachtet“, sagt Alexis Neuberg, Obmann der Afrika Vernetzungsplattform (AVP). „Soliman hat am kaiserlichen Hof seinen Weg gemacht. Gut wäre es, wenn auch heute schwarze Menschen in der Hofburg oder im Rathaus anzutreffen wären – nicht mehr als Diener, sondern in Entscheidungsgremien.“

Auf einen Blick

Ausstellung: Im Wien Museum startet am 29. September die Schau „Angelo Soliman – ein Afrikaner in Wien“. Umstritten: Für die afrikanische Diaspora in Österreich ist der erste bekannte Afrikaner in Österreich eine ambivalente Symbolfigur.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER www.wienmuseum.at

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