Klimawandel: Weltbank will mit neuem Bericht "schockieren"

(c) AP (Bertrand Langlois)
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Eine Woche vor Beginn der UN-Klimakonferenz in Doha malt die Weltbank ein apokalyptisches Szenario an die Wand: Armut und Unterernährung werden durch die Folgen des Klimawandels stark zunehmen.

Washington/Wien. Jim Yong Kim macht nun Ernst. Der in Südkorea geborene Mediziner, der seit Juli Präsident der Weltbank ist, hatte bei Amtsantritt einen radikalen Kurswechsel angekündigt. Dieser manifestiert sich nun auch in der Umweltpolitik: In der Nacht zum Montag wurde in Washington ein Bericht namens „Turn Down the Heat“ zu den Folgen des Klimawandels präsentiert. Die Kernaussage: Die Welt driftet auf eine Erwärmung um vier Grad bis zum Ende des 21.Jahrhunderts zu – und dies habe verheerende Folgen nicht nur für die Umwelt, sondern auch für den Menschen und die Wirtschaft.

Diese Aussage überrascht an sich nicht, schließlich ist der Hauptautor des Weltbank-Berichts, das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, für solche Töne bekannt. Völlig neu ist aber, wie die Weltbank damit umgeht: „Ich hoffe, dass dieser Bericht schockierend genug ist, damit wir handeln“, so Kim, der der erste Nichtökonom auf dem Chefsessel der Weltbank ist. „Wir werden die Armut niemals besiegen, wenn wir den Klimawandel nicht bekämpfen. Dieser ist heute eine der größten Herausforderung für die soziale Gerechtigkeit.“ Und weiter: „Bei all unserer Arbeit, bei all unserem Denken müssen wir die Bedrohung durch eine Vier-Grad-plus-Welt bedenken.“

Vorbote der UN-Klimakonferenz

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung und die dramatische Wortwahl sind kein Zufall: Kommenden Montag beginnt in Doha (im Golfemirat Katar) die UN-Weltklimakonferenz. Zwei Wochen lang werden Vertreter von fast 200 Staaten um einen Nachfolger für das Kyoto-Protokoll ringen: Dieses Abkommen läuft Ende dieses Jahres aus, es ist völlig offen, was danach kommt. Vor allem die Schwellenländer unter Führung des weltgrößten CO2-Emittenten China blockieren bindende Vorschriften zur Begrenzung des weltweiten Treibhausgasausstoßes.

Vor diesem Hintergrund betonte Kim, dass „kein Land gegen den Klimawandel immun“ sei. Die Auswirkungen seien aber nicht überall gleich, besonders verletzlich seien die Entwicklungsländer und die ärmsten Menschen.

Der Bericht listet minuziös alle Hinweise darauf auf, dass der Klimawandel längst in vollem Gange ist. Darüber hinaus werden die Folgen der möglichen Erwärmung um vier Grad beziffert. Diese Zahl ist freilich ein Durchschnittswert: Der Mittelmeerraum z.B. könnte sich im Sommer um bis zu neun Grad erwärmen und dadurch ein Klima bekommen wie heute in der Sahara. Die Wasserführung von Donau oder Amazonas könnte um 40 bis 80 Prozent abnehmen, die von Nil und Ganges hingegen um 40 Prozent zunehmen.

Durch extreme Hitzewellen, Dürre oder vermehrte Waldbrände wird die Lebensmittelproduktion dramatisch beeinflusst. Während man bisher davon ausgegangen ist, dass eine moderate Erwärmung die globale Lebensmittelproduktion erhöhen könnte, so sind sich die Forscher nun sicher, dass die Erträge durch den Klimawandel sinken würden. Dabei spielen nicht nur häufigere Hitzeperioden und Dürre eine Rolle, sondern auch die Tatsache, dass wegen des steigenden Meeresspiegels Salzwasser in das Grundwasser von Küstenregionen eindringen könnte.

Eine der Folgen: Die Unterernährung, die derzeit dank der wirtschaftlichen Entwicklung in vielen Regionen der Welt sinkt, könnte wieder zunehmen – mit allen schlimmen Konsequenzen für Gesundheit, wirtschaftliche Entwicklung und Armut. „Der Klimawandel könnte die bisherigen Fortschritte wieder zunichte machen,“ heißt es in dem Bericht.

Auf einen Blick

Ein neuer Bericht der Weltbank untersucht die Konsequenzen, wenn sich die Erde im kommenden Jahrhundert um vier Grad erwärmt. Der Sukkus: Der Klimawandel würde alle Verbesserungen durch die gute Entwicklung der Weltwirtschaft wieder zunichte machen. Erarbeitet wurde die Studie vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und von „Climate Analytics“ (Berlin). www.worldbank.org

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2012)

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